Distanzreiten - Gabriela Förster aus Altenstädt
Dr. Gabriela Förster bei Nachtritt in der Lüneburger Heide von Mario Grass (Altenstädt)
Zum bereits 40. Mal traten am letzten Juliwochenende zahlreiche Reiter mit ihren Pferden zur sogenannten „Heidedistanz“ an. Der Traditionsritt führte die Teilnehmer von der Ortschaft Bergen (bei Celle), über eine Strecke von 160 km, zu ihrem Ziel nach Brackel (etwa 30 km südlich von Hamburg). Auch Dr. Gabriela Förster aus Altenstädt befand sich unter den Teilnehmern. Als mich Tanja Wedemeyer, die Organisatorin der „Heidedistanz“, vor einigen Wochen einlud, um von Deutschlands bekanntestem Distanzritt zu berichten, ahnte ich noch nicht, dass sich auch meine Nachbarin und Freundin Gabriela Förster unter den Teilnehmern befinden würde. Vor allem ahnte ich aber auch noch nicht, dass ich, nachdem ich bereits 30 Stunden auf den Beinen war, bei gefühlten 40°Grad auf einem wackeligen Hochsitz mitten in der Lüneburger Heide sitzen würde. Auf meinen Armen und Beinen hatten Staub und Schweiß in den vergangenen Stunden eine unappetitliche Emulsion gebildet, die aber sämtliche Stechmücken der näheren Umgebung offenkundig als sehr anziehend und betörend empfanden. Die besagte Umgebung bestand, soweit das Auge reichte, aus Maisfeldern, die am fernen Horizont auf einen Wald trafen. Außer den Stechmücken war weit und breit kein weiteres Lebewesen zu sehen, was sich jedoch hoffentlich bald ändern sollte, denn bereits seit geraumer Zeit richtete ich angestrengt meine Augen auf den Waldrand am Horizont, in der Hoffnung ein Pferd heranpreschen zu sehen. Mit einem Pferd 160 km weit zu reiten war in meinen Augen ähnlich abwegig, wie ... naja wie zum Beispiel bei einer derartigen Hitze auf einem Hochsitz zu hocken und sich von Mücken perforieren zu lassen. Dennoch fanden sich am Tag zuvor knapp 60 Teilnehmer aus ganz Deutschland am Rittergut in Feuerschützenbostel ein, um genau das zu tun. Unter ihnen auch Gabriela mit ihrem Pferd Bermuda und Teymoon, dem Pferd von Tanja Wedemeyer, die als Organisatorin des Rittes, nicht selbst an den Start gehen konnte. Gabrielas Nachwuchspferd Bermuda, das bislang kaum Wettkampferfahrungen hatte, sollte zum ersten Mal eine derart lange Strecke absolvieren. Die Strategie sah vor, dass Bermuda von Veronika Grell, einer befreundeten Reiterin, geritten werden sollte und Gabrie la, mit all ihrer Erfahrung, auf Teymoon, das Tempo vorgeben und dem Distanzneuling Bermuda Sicherheit vermitteln sollte. Die gesamte Distanz wäre für Bermuda sicherlich noch zu viel gewesen, weshalb Gabriela bereits im Vorfeld beschlossen hatte, an der 80km-Marke aus dem Rennen auszusteigen. Dieses ist bei der „Heidedistanz“ problemlos möglich, denn entgegen den üblichen internationalen Regularien wird hier jeder Reiter gewertet, dem es gelungen ist, die halbe Strecke mit gesundem Pferd zu absolvieren. Nachdem beide Pferde dem Tierarzt vorgestellt wurden, erhielten sie ihre Startnummern und wurden auf einen für sie eingezäunten Bereich der Wiese geführt, wo sie sich bis zum Start stärken konnten.
Bermuda wurde der Tierärztin vorgestellt...

... und erhielt seine Startnummer
Als gegen 23:00 Uhr der leichte Regen aussetzte und die Wolken die Sicht auf den Mond freigaben, tauchte dieser die umliegenden, verschlafen wirkenden Wiesen, in ein fahles bläuliches Licht. Zunächst fast unmerklich wurde es dann lebhafter rund um die zahlreichen Zelte, Wohnmobile und Pferdeanhänger. Es wurde eifrig gepackt, Streckenkarten wurden studiert, Pferde gesattelt und die ersten Teilnehmer trabten einige Meter, um sich und ihr Pferd an die Dunkelheit zu gewöhnen. Innerhalb von wenigen Minuten war aus dieser verschlafenen Szenerie ein hektisches Gewusel, voller Spannung und Nervosität, geworden. Nicht nur die enorme Streckenlänge, insbesondere das nächtliche Reiten, flößte den Startern merklich Respekt ein. Auch für Gabriela, die bereits bei zahlreichen internationalen Championaten angetreten ist, stellte ein Nachtritt eine besondere Herausforderung dar. Exakt um Mitternacht erfolgte dann das Startsignal. Im stimmungsvollen Fackelschein machten sich die Teilnehmer auf ihren langen Weg durch die Lüneburger Heide. „Oh ist das toll!“, hörte ich noch eine Reiterin aufgeregt ausrufen, bevor die Dunkelheit des Waldes sie verschluckte. Für Bermuda waren die Fackeln und die vielen Menschen schon etwas Furcht einflößend, weshalb er von Tanja Wedemeyer langsam zum Start geführt wurde, was ihm die ausreichende Sicherheit vermittelte und er gemeinsam mit Teymoon und einigem Abstand zum Starterfeld, den abenteuerlichen Ritt in Angriff nahm.
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Stimmungsvoller Start bei Fackelschein
Ich eilte mit meinem Auto sogleich zum ersten Zwischenstopp. Die nächtliche Fahrt durch die menschenleere Heidelandschaft, die Nebelschwaden, die sich im Scheinwerferkegel zeigten, der leuchtende Mond ... ich begann zu ahnen, dass ich hier etwas ganz Besonderes erleben würde. Gegen 1:30 Uhr ertönten die ersten aufgeregten Rufe: „Sie kommen! Sie kommen!“ Unter den Helfern, die eben noch in entspannter Runde plaudernd beieinander standen, machte sich jetzt hektische Betriebsamkeit breit. Wassereimer wurden gerichtet, Heu auf die Wiese getragen, der zuständige Tierarzt richtete sein „mobiles Behandlungszimmer“ ein und ließ es von den Scheinwerfern eines Jeeps ausleuchten. Jetzt sah auch ich in der Ferne die ersten neongelben Punkte aufleuchten. Und kurz darauf tauchte das erste Pferd aus der Dunkelheit auf. Sämtliche Pferde, die jetzt im Minutentakt eintrafen, wurden dem Tierarzt vorgeführt. Die vom hellen Mondlicht beleuchteten Nebelschwaden sorgten dabei für eine geradezu magische Stimmung. Und endlich entdeckte ich auch Gabriela, Veronika, Teymoon und Bermuda – auch sie waren wohlbehalten angekommen. Nach dem medizinischen Check durften Reiter und Pferd eine halbstündige Pause einlegen. Ich setzte mich kurz zu Gabriela, deren leuchtende Augen bereits Bände sprachen. „Es ist einfach unglaublich...! Der Nebel und das Mondlicht.... der Schatten der Pferde... einfach unglaublich... die Pferde sind so toll...“ Dabei schüttelte sie fast unmerklich den Kopf, als könne sie selbst nicht glauben, was sie da gerade erlebt. Kurz darauf machte sie sich enthusiastisch, aber auch konzentriert, wieder auf ihren Weg durch die Nacht.
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Stimmungsvoller Start bei Fackelschein Magische Momente Teymoon im Mondlicht In den folgenden Stunden marschierte Bermuda brav und tapfer hinter dem erfahrenen Teymoon, und als die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen hinter den Bäumen auftauchten, war er bereits so sicher, dass er fortan vorne laufen durfte.
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Der Tag bricht an
Gegen 7:45 Uhr erreichten Gabriela und Veronika gemeinsam den 80km-Zwischenstopp, wo sie wie geplant aus dem Rennen ausstiegen. Bermuda und Teymoon wurden auf ihren eingezäunten Auslauf gebracht, wo sie sich sogleich auf das bereitstehende Heu und Wasser stürzten. Aber auch für die Reiter gab es ein exzellentes Frühstück, was eine etwas müde, aber auch äußerst zufrieden wirkende Gabriela sichtlich genoss. Der Ritt in der wunderschönen Nacht gab zudem genügend Stoff für anregende Gespräche unter den Reitern.
Gabriela & Veronika erreichten gemeinsam das Ziel
Auch Teymoon & Bermuda wirkten zufrieden
In den folgenden Stunden stiegen die Temperaturen schnell und nahmen mit Leichtigkeit die 30°Grad-Hürde. Die Hitze machte zunehmend Pferden, Reitern, aber auch den Betreuern, die in überhitzten Autos von Station zu Station eilten und unzählige Liter Wasser für die durstigen Vierbeiner herbeischaffen mussten, zu schaffen. Die extremen Umstände zwangen nach und nach mehr Teilnehmer zum Ausstieg aus dem Rennen.
Die zunehmende Hitze machte zu schaffen
Gegen 17:30 Uhr sah man in der Ferne endlich trockenen Staub aufwirbeln. Die führenden Reiter näherten sich dem Ziel. Am Ende gelang sieben Teams die Bewältigung der Gesamtstrecke. Nicht wenige der Reiter hatten beim Erreichen der Ziellinie mehr als nur eine Träne in den Augen. Überwältigt von den eigenen Emotionen, dem Schlafmangel, dem Kampf gegen die Hitze und den bewegenden Erlebnissen der Nacht, übergaben sie erschöpft die Pferde ihren Betreuern. Der Tag bricht an Gabriela & Veronika erreichten gemeinsam das Ziel Auch Teymoon & Bermuda wirkten zufrieden Die zunehmende Hitze machte zu schaffen Auch an Bermuda waren die vergangenen Stunden nicht spurlos vorübergegangen. Als Gabriela in der Nacht von rätselhaften Geräuschen geweckt wurde, fand sie ihr junges Pferd liegend und dabei laut schnarchend auf der Wiese vor. „Ich habe noch nie ein Pferd schnarchen hören“, so die sichtlich verblüffte Reiterin. Er hat hoffentlich schöne Pferdeträume gehabt. Am folgenden Tag mussten sämtliche Pferde erneut dem Tierarzt vorgeführt werden. Bermuda und Teymoon nahmen auch diese Hürde problemlos und befanden sich in tadellosem Zustand. Somit war das Unternehmen „Heidedistanz“ rundherum zufriedenstellend verlaufen.
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Bermuda & Teymoon im „Wartezimmer“
Keinerlei Beanstandungen bei Teymoon...
und auch Bermuda war in tadellosem Zustand
Gabriela mit Teymoon & Veronika mit Bermuda bei der Siegerehrung
Gabriela zeigte sich auch einen Tag nach dem Ritt äußerst glücklich und dankbar für dieses außergewöhnliche Erlebnis: „Diese magisch-mystischen Bilder in der Nacht..., mehr Fühlen der Strecke als Sehen..., die Konzentration und das Schnauben der Pferde... Das sind schon tolle Erinnerungen.“ Bermuda konnte bei diesem Ritt viele Erfahrungen sammeln, und seine Besitzerin scheint recht hoffnungsvoll zu sein, dass er in einigen Jahren in die Spuren seiner Vorgänger treten und sich zu einem erfolgreichen Distanzpferd entwickeln wird. Und dann wird er sicherlich die gesamten 160 km bewältigen. Natürlich in Rekordzeit!
Weitere Berichte zur „Heidedistanz 2013: http://www.mariograss.germandailynews.com/ blog.mariograss.de
Im Galopp einer hoffnungsvollen Zukunft entgegen: Bermuda |