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Vortrag Rittergeschichte

425 Jahre Familiengeschichte Ritter in Altenstädt
Zusammenfassung des Vortrages vom 8.8.2003
Naumburg/Hessen-Altenstädt, DGH

Mario Arend, Otzberg,
Mitglied der Gesellschaft für Familienkunde in Kurhessen und Waldeck (Kassel)

Die Altenstädter Ritter waren bis in die jüngste Zeit Bauern. Bei Erwähnungen von Bauern in der älteren Zeit vor Beginn der Kirchenbücher ist man auf bestimmte Quellen angewiesen, z.B. auf Salbücher. Diese wurden für Altenstädt von Georg Feige, der bis zu seinem Tod im Jahre 1999 in Altenstädt lebte, bereits 1981 für die Altenstädter Chronik "1150 Jahre Altenstädt" ausgewertet und somit leicht zugänglich gemacht.

Die erste Erwähnung eines Altenstädter "Ritter" ist 1579, als Johannes Ritter sen. im Salbuch als Hofbesitzer genannt wird. 1592 zahlen er und Johannes Ritter jun. diverse Abgaben mit uns heute ungewöhnlich erscheinenden Bezeichnungen wie Dreschergeld und Rodtgeld. Neben den Salbüchern gibt es eine weitere Quelle für Erwähnungen von Bauern in der Vorkirchenbuchzeit: Die Rügeregister, in der die Strafen für Verstöße gegen die weltliche Ordnung eingetragen wurden. Curt Ritter wird 1602 erwähnt, als er "eine verdechtige Weibes Person in sein Haus genommen", ferner 1609, als "Curth Griessel Zu Altenstedt, Curt Rötters schwester daselbsten in Unpflicht geschwengertt". Die erste Erwähnung von Altenstädter Rittern der Kirchenbuchzeit findet sich im Kirchenbuch von Altendorf im Jahr 1650. Dieses enthält die Eintragungen für Altenstädt für die Jahre 1650-1653, da Altenstädt in dieser Zeit kirchlich von Altendorf aus betreut wurde. 1653 gibt der Altendorfer Pfarrer Henrich Wagner die Betreuung von Altenstädt an seinen Balhorner Kollegen Bartholomäus Thomas ab, der für Altenstädt ein eigenständiges Kirchenbuch beginnt.

1650 ist in besagtem Altendorfer Kirchenbuch für Altenstädt verzeichnet, dass Theis Ritter von seinem Nachbarn Ricus Strippelmann erschlagen worden ist. Auf dem Heimweg sind sie in Streit geraten, nachdem sie zusammen getrunken haben. 2 Jahre später büßt Ricus Strippelmann die Tat mit 45 Gulden. Dieser Betrag entspricht ungefähr dem Gegenwert eines Pferdes oder zweier Kühe. Berücksichtigen muß man jedoch bei der Bewertung der Höhe der Strafe, dass dies in etwa dem durchschnittlichen Besitz eines Bauern dieser Zeit entspricht. Viele Bauern mußten Geld beim Kirchenkasten leihen, welches oft über Generationen verzinst wurde, meist ging ein solcher Kredit auf den Sohn oder Schwiegersohn über. Man kann also annehmen, dass die Strafe von 45 Gulden für Ricus Strippelmann durchaus eine einschneidende wirtschaftliche Beeinträchtigung darstellte, möglicherweise auch für die nachfolgenden Generationen.

Theis Ritters Frau heißt Elisabeth. Obwohl sie Beziehungen zur Kirchberger Familie Hahn hat, läßt sich ihr Familienname bislang nicht bestimmen. Von Kirchberg her hat sie Erbäcker, die ihr wohl eine gewisse Unabhängigkeit verschaffen, denn sie hat nicht wie üblich wieder geheiratet. 35 Jahre lang ist sie Witwe, immer erwähnt mit der Bezeichnung Theis Ritters relicta (lat. die Witwe). 1654 spielt sie in einer Befragung der Altenstädter Bevölkerung durch den Balhorner Pfarrer Bartholomäus Thomas eine entscheidende Rolle bei der Ermittlung der kirchlichen Zustände von 1624. Dies war wichtig für die künftige Konfessionszugehörigkeit der beiden Mainzer Amtsdörfer Altendorf und Altenstädt, hatten doch die Bestimmungen des Westfälischen Friedens das Jahr 1624 als Normaljahr festgelegt, d.h. es sollte künftig jeder Ort in Deutschland genau die Konfession annehmen, die er 1624 hatte. Da gerade im Jahr 1624 der Altendorfer und Altenstädter Pfarrer Nicolaus Coriarius gefangen genommen und aus dem Amt gejagt worden ist, war 1654 eine genaue Ergründung der Zustände des Jahres 1624 notwendig geworden. Nachdem der Balhorner Pfarrer zunächst nach einer allgemeinen Befragung der Altenstädter Männer die Namen eines jeden Altenstädter Mannes und seine Aussage schriftlich aufnehmen will, ziehen diese ihre Aussage wieder zurück und geben vor, sie könnten sich an nichts mehr erinnern. Ihre Aussagen hätten sich immerhin gegen den Mainzer Grundherrn gerichtet.
Da nun meldet sich Elisabeth, die Witwe Theis Ritters zu Wort und sagt aus, „... es wehre wunder, das sie [die Männer] alles sogar vergeßen haben sollten, es seye ihr der Verlauff selbiger Zeit annoch so in frischem Gedachtnüß, als wens erst gestern geschehen ...“. Sie berichtet ausführlich, dass sie 1623 von Kirchberg kommend in Altenstädt mit Theis Ritter getraut wurde und über die folgenden Ereignisse. Einige Männer schließen sich dieser Aussage an, sodass der Bericht des Balhorner Pfarrers dann doch noch so ausfällt, dass die konfessionelle Frage für Altenstädt letztlich zugunsten der von Hessen-Kassel präferierten evangelisch-reformierten Konfession und somit gegen die von Mainz geforderte katholische Konfession entschieden wird.

Theis Ritter und seine Frau Elisabeth sind nicht nur das Stammelternpaar der Altenstädter Ritter, ihr Vorkommen in vielen Altenstädter Ahnenlisten läßt vermuten, dass sie wohl auch für viele eingesessene Altenstädter, die nicht den Namen Ritter tragen, ein Vorfahrenpaar sind. Gleiches gilt auch für deren Sohn Werner Ritter (1636-1717), der mit Anna Thielmann, der Tochter des Kastenmeisters Jost Thielmann verheiratet war. Von deren 13 Kindern erreichen immerhin 10 das Erwachsenenalter. Der Kastenmeister Jost Thielmann konnte natürlich im Gegensatz zu den Bauern lesen und schreiben, so verwundert es nicht, dass er selbst angibt, er habe bei Heinrich Schroeder, dem 1. bekannten Lehrer von Altenstädt (vor 1624-1656) schreiben gelernt.
Der Sohn des Paares Werner Ritter und Anna Thielmann ist Reinhard Ritter (1683-1759), der mit Anna Dorothea Schlutz verheiratet war und 1742 unter den Brauberechtigten genannt ist. Deren Sohn ist der Kirchenälteste Johann Henrich Ritter (1718-1788), verheiratet mit Anna Elisabeth Möller aus der Müllerfamilie Möller zu Ippinghausen. Johann Henrich Ritter ist wohl auch Vorsteher unter dem Greben Johannes Gerold. Diese schreiben 1749 im Fruchtregister: "Dieses Jahr haben die Winther früchte in der setze Zeit durch den frost Schaden erlitten [...] ansonsten hat uns der gütige Gott für Außer ordentlichen unglücken alß vor Mordthat, Feuersbrunst, Kißelschlag und Wasser fluth in hohen Gnaden bewahret."

Der Sohn von Johann Henrich Ritter und Anna Elisabeth Möller ist der Kirchenälteste Johannes Ritter sen. (1742-1802), er ist mit Anna Elisabeth Dingler aus Istha verheiratet. Dieses Ehepaar ist Ahnenpaar des derzeitigen Altenstädter Ortsvorstehers Bernd Ritter.
Der Sohn von Johannes Ritter sen. und Anna Elisabeth Dingler ist der Ackermann Johann Martin Ritter sen. (1775-1850), verheiratet in erster Ehe mit Anna Maria Schlutz, in 2. Ehe mit Maria Elisabeth Ritter.
Aus der ersten Ehe stammt der Ackermann Johann Jost Ritter (1808-1858), verheiratet mit Maria Döring, des Greben und Kirchenältesten Matthias Dörings Tochter. Diese haben 10 Kinder, von denen 8 das Erwachsenenalter erreichen. Nachkommen sind Öste, Ritter und Lattemann (des Georg Öste aus Eschenstruth), ferner Gertenbach, Klapp, Döring und Pfennig (des Johannes Gertenbach aus Cappel). Die Familie Gertenbach bewohnt ab etwa 1857 das Haus der Familie Ritter im Wiesengrund, Haus Nr. 54. Weitere Nachkommen sind Engelhard, Briel, Ritter, Jäger, Maurer und Bürger (der Gebrüder Johann Jost und Johann Henrich Engelhard). Die Gebrüder Engelhard haben 2 Ritter Schwestern geheiratet. Ihre Häuser sind die benachbarten Häuser Nr. 81 und 83. Nachkommen Ritter, Gertenbach und Kimm stammen von Heinrich Ritter, dem 1846 geborenen Gastwirt und Bierbrauer. Die Gastwirtschaft Ritter (Haus Nr. 21) brennt nach einem Blitzschlag 1927 ab und wird 1928 wieder aufgebaut, sie wird noch heute von den Nachkommen betrieben.

Unter die "Auswanderer" können der 1840 geborene Johann Julius Ritter, Bahnwärter in Hörde und der 1852 geborene Jean Louis Hermann Hugo Ritter, Wagner in Witten a.d. Ruhr gezählt werden, vor allem aber der 1848 geborene Bäckergeselle August Ritter, der noch 1863 in Altenstädt konfirmiert wird, dann aber nach London auswandert, wo er 1879 heiratet. Zu seinen Nachkommen zählen die von London nach Altenstädt angereisten Ehrengäste des heutigen Abends: John Albert George Ritter und John Augustus Christian Ritter. (ma)

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