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Über die Altenstädter Kirchengeschichte! Weiter unten: die Pfarrer in Altenstädt chronologisch: Evangelische Landeskirche und SELK Kurzfassung zur Geschichte der ev. Kirche zu Altenstädt für den schnellen Leser
Altenstädt gehörte zum Amt Naumburg, und damit lag es im Gebiet des Mainzer Erzbischofs und Kurfürsten. Diese politische Lage sollte kirchengeschichtlich von außerordentlicher Wichtigkeit werden, denn darasu entwickelte sich der jahrhundertelange Kampf um die kirchliche Zugehörigkeit des Ortes, so, wie die politische Entscheidung des Mainzer Erzbischofs, das Amt zu verpfänden, ebenfalls einschneidende religiöse Folgen hatte. Die Verpfändung geschah 1345. Das Amt kam zur einen Hälfte an die Grafen von Waldeck, zur anderen an Thilo von Elben, später an die Freiherren von Hertingshausen. 1544 kam das Amt endgültig nach Waldeck, nachdem man sich auf eine Ablösesummer geeinigt hatt. Die Grafen von Waldeck waren evangelisch geworden und versuchten, die Refomation auch bei ihren Untertanen einzuführen, somit auch im Naumburger Amt. Diese Einführung gelang. Naumburg, Altenstädt und Altendorf wurden evangelisch und hatten entsprechende Prediger. Als dann der Mainzer Erzbischof nach langen Verhandlungen und vielen Schwierigkeiten das Amt wieder einlöste (1588) war der Konflikt zwischen katholischen Landesherren und evangelischen Untertanen vorprogrammiert. Der erste Pleban von Altenstädt, der urkundlich als Zeuge erwähnt wird, erscheint in einem Hasunger Schriftstück vom 8.1.1272. Sein Name war Eberhard. Am 18.1.1338 und am 11.1.1351 wird eine Heinrich, Pleban zu Altenstädt im gleichen Urkundenbestand genannt. Schließlich ist ein Johann Godeling “Pleban in Altenstede bei Nuenburg” am 10.11.1501 und am 4.1.1509 als Zeuge in Fritzlar nachweisbar. Aus dieser Nachricht können wir entnehmen, dass das Dorf schon sehr früh christianisiert war. Die Kirche wird allerdings erstmals im Jahre 1403 erwähnt. Damals war sie mitsamt dem Dorfe von Hessen niedergebrannt. Nachzuweisen ist, dass die Kirche von Altenstädt Abgaben nach Fritzlar zu entrichten hatte (um 1425). Dabei zählte “Aldenstede” zu “Sedes Schutzeberg”, neben weiteren Orten im Umkreis. Noch am 10.1.1545, also nach Einführung der Reformation, wird bemerkt, dass die Kirche zu “Schutzberg” als Mutterkirche “mehr als 20 Dörfer unter sich hatte”, vermutlich auch Altenstädt.
Das Zeitalter der Reformation
In Heinrich Dittmar haben wir den ersten evangelischen Prediger in Altenstädt und Altendorf. 1529 wird er Beneficial ds Altars vom hl. Kreuz auf dem Schloss Naumburg und wird mit den Einkünften des Marienaltars in Naumburg belehnt. Kurz nach dieser Belehnung evangelisch geworden, heiratet er und wird evangelischer Pfarrer in Altenstädt und Altendorf mit Wohnsitz in Naumburg. Über die ihn folgende Pfarrer gibt es relativ gute Informationen (siehe Quelle), Nachrichten über das konkrete Altenstädter Gemeindeleben aus dieser Zeit suht man jedoch vergebens. Man wird sich den Übergang vom Katholozismus zum Evangelischen micht als einen abrupten Vorgang vorstellen dürfen, sondern als langsamen, von oben nach unten durchgesetzten Prozess, der auch politische Umwälzungen mit sich brachte. So wurde das Armenwesen mit Hilfe der Kastenordnung neu geregelt. Schließlich kam es zur Einlösung des Naumburger Amtes durch das Erzbistum Mainz, was nicht nur machtpolitische und ökonomishce Gründe hatte, sondern sicherich auch relegiös motiviert war.
Die Gegenreformation
Nachdem der Erzbischof von Mainz wieder Territorialherr über das Amt Naumburg geworden war, begannen die Versuche einer Rekatholisierung. So wurden Ländereine der Benefizien möglichst nur an Katholiken verpachtet und die Nutznießung auch nicht mehr evangelischen Geistlichen zugute kam. Nicolaus Coriarius war Pfarrer während der Zeit, in der die Mainzer massiv auf eine konfessionelle Änderung drangen und schließlich durchführen konnten. Er ist seit 1608 Kaplan (Diakon) in Naumburg und Pfarrer in den beiden Dörfern Altenstädt und Altendorf. Die Ereignisse überstürzen sich gegen Ende des Jahres 1615. Am 28. November erschienen Mainzische Kommissare in Naumburg und beorderten Rat und Gemeinde zum Rathaus. Im Auftrage ihres Kurfürsten und Erzbischofs wurde den Einwohnern, auch denen der Amtsdörfer, befohlen, sie hätten sofort die katholische Religion anzunehmen. Sie hatten einen neuen Pfarrer mitgebracht, zu dem man von nun an in den Gottesdienst gehen sollte. Wer diesen Befehl nicht folge, müsse auswandern. Dem Pfarrer Corarius warfen sie vor, er habe gegen den Landesherren und Kurfürsten gepredigt und gearbeitet. Man bestrafte ihn deswegen hart und erteilte ihm Predigt- und Kanzelverbot, außerdem das Verbot von Stadt und Amt. Corarius wagte es nicht, am 3. Dezember in Altenstädt und Altendorf zu predigen. Die Gudensberger Beamten, in Hessischen Diensten, waren angewiesen, trotz der Drohungen die ordnungsgemäße Durchführung der evangelischen Gottesdienste zu garantieren. Sie ritten an dem Sonntag mit dem Balhorner Geistlichen Matthäus Züddel nach Altenstädt und ließen ihn dort predigen. Die Beamten wurden nicht behindert, die Kirchenschlüssel waren noch bei den Opfermännern und diese kamen ihren Pflichten mit Läuten und Singen unverzüglich nach. Sie wussten zu berichten, der Naumburger Schlutheiß habe am Morgen des gleichen Tages um 7.00 Uhr die Dorfbewohner aufgefordert, in die Stadt zu kommen, um dort an der Messe des neuen katholischen Pfarrers teilzunehmen. Diese Anordnung nahm man jedoch “auf die leichte Schulter”. Die Dorfbewohner hatten sich dahin gehend geeinigt, dass, wenn kein Pfarrer käme, der Opfermann das Evangelium lesen sollte. Doch die Mainzer Beamten belegten den Ungehorsam mit hohen Strafen. Da diese beim Landgrafen von Hessen auch noch über ihren Landesherren Klage geführt hatten, wurde die Strafe von 10 auf 30 Thaler erhöht. Das war eine enorme Summe und Hessen hatte kaum die Möglichkeit zum Erzwingen einer Strafmilderung in der Hand. Die Landgräflichen Räte versuchten Coriarius zu überreden, wieder zu predigen. Doch er stellte Bedingungen: Spezieller Schutz und Garantie, schadlos zu bleiben. Immerhin hatte er seine Wohnung in Naumburg samt Hab und Gut. Ein Umzug kam aber nur nach Elben in Betracht, da in Altenstädt und Altendorf kein Pfarrhaus sei. Nach rechtlichen Prüfungen und Gesprächen konnten die Gudensberger Beamten am 11.Dezember einen recht positiven Bericht abstatten. Danach hatten sie sonnabends mit Coriarius geredet. Das Gespräch scheint in Balhorn stattgefunden zu haben. Demnach hätte Coriarius seine Wohnung in Naumburg sowie Amt und Stadt verlassen. Sonntags haben ihn die Beamten in Altenstädt und Altendorf predigen lassen. Die Bestrafung und die schärfer werdende Verfolgung der Bevölkerung hatte zur Folge, dass auch die Altenstädter vorsichtiger wurden. Sie ließen sich nicht mehr ohne weiteres von ihrem Pfarrer überreden, mainzische Befehle auf religiösem Gebiet zu ignorieren. Inzwischen hatte der Mainzer Erzbischof den Kaiser in dieser Sache eingeschlatet. Der äußerte sich in einem sehr umfangreichen Schreiben, datier vom 27.1.1616, zu der Sache. Darin gab er zu erkennen, dass in Naumburg, Altenstädt und Altendorf der hochbeteuerte Religionsfriede verletzt sei, nach dem des Regierenden zu richten habe. Die Versuche, die Einführung des Katholozismus durch Mainzer Beamte zu verhindern, sei nicht rechtens gewesen. Es folgte eine lange Liste von Vergehen. Da hatte man dem Schultheißen Steine ins Fenster geworfen und einem Bürger die Scheiben zertrümmert, weil er zur Messe ging. Es waren Drohungen ausgesprochen derart, wer die katholischen Predogten höre, der würde getötet oder über die Stadtmauer geschmissen. Aus Angst hatten sich die Beamten nachts in ihren Häusern zurückgezogen und nicht einmal die Verfolgung offensichtlich krimineller Freveltaten gewagt. Daher wurde eine Strafe auferelegt und den Einwohnern befohlen, “daß ihr seiner löblichen Gnaden alßbald ohne all wiederredt und verwaigerung in denen euch ufferlegten gebot und verbot in diesen und andern Christ- und weltlichen sachen gebührlichen schuldigen gehorsamb leistet, euch deß außlauffens ahn uncatholische Ort ... enthaltet” und Bedrohungen und Beleidigungen nicht mehr erfolgen. Magister Nicolaus Coriarius sei endlich und endgültig abzusetzen. Die Wirkung des Schreibens bestand in einer Erklärung der Bürger, vertreten durch ihre beiden Greben, datiert vom 31.3.1616 und gegeben vor dem Notar. Danach nahmen die Einwohner zur Kenntnis, dass sie nach Naumburg in den Gottesdienst zu gehen hätten und erklärten sich bereit, dem Befehl Folge zu leisten und die einzelnen Klauseln zu beachten. Dieses Schreiben bedeutete aber nicht, dass die Sache damit zugunsten der Mainzer erledigt war. Insbesonderer der Kirchgang nach Naumburg war beschwerlich, so dass schom am 3. April die Bitte an den Kurfürsen nach einem eigenen Pfarrer erging. Denn “wir sind arme Leute, haben Haus Hof und Futter Uffen Platten Land. Es ist der Kirchweg zur Naumburg etwas abgelegen und könnten wird leicht, wenn wir mit Unserem Weib und Kinderlein den Gottesdienst besuchen und niemand zu Haus ist, mit Feuer, Brand und Plünderung heimgesucht und ins äußerste Unheil und Verderbs gesetzt werden, und könnten nimmermehr wieder respirieren, welches Unheil, wenn wir in loco (im Ort) bleiben abwenden können.” Gleichzeitig ging auf höherer Ebene der Streit darüber weiter, wer denn das Recht habe, den Pfarrer in beiden Orten einzusetzen. Der Landgraf wies seine Beamten an, keinesfalls nachzugeben. Daher konnte der Kurfürst im Schreiben am 28.6.1616 klagen, der Schultheiß von Gudensberg Daniel Viereck habe es sich “zur ohngebür gelüsten lassen, des zur Numburgk abgeschafften Caplan M. Coriarius in beiden unsern Dorfschafften Alltendorff und Altenstetten, wiederum einzuführen”, außerdem habe er dafür Sorge getragen, dass in Altenstädt die Kirchtür “gewalthätiger, frevelhaffter weiß” entzwei geschlagen ist, dass das Schloss daraus abgebrochen wurde und er dies mit nach Gudensberg nahm, mit dem Vorwand, er wolle einen neuen Schlüssel dazu machen. Zur Demonstration der Friedfertigkeit und des Bemühens um gutnachbarliche Beziehungen sei von Mainzer Seite der Vorschlag gemscht, dass der Landgraf “vermög ihres habenden Juris patronatus einen unßeres glauben bekanstnuß zugethanen exemplarischen qualificierten Pfarrherr praesentiren wollte”. In dieser Auseinandersetzung beharrte Hessen auf seinRecht, den Pfarrer einzusetzen. Die Mainzer sahen, dass sie nicht an die Kirchen in den zwei Ortschaften herankommen konnten. Nach dem Versuch, die Altenstädter und Altendörfer nach Naumburg in die Kirche zu zwingen, kam der katholische Pfarrer zu ihnen hinaus. Coriarius meldete das natürlich sofort nach Kassel und die Gudensberger Beamten wurden angewiesen, unverzüglich mit Soldaten anzurücken. Es gab wohl auch eine bewaffnete Ausenandersetzung kleineren Ausmaßes, bei der der katholische Pfarrer aus der Kirche hinausgejagt wurde. Sechs Jahre hatte man Ruhe, in denen Coriarius von Elben aus seinen Dienst versah.
Altenstädt im 30-jährigen Krieg
Inzwischen hatte der 30-jährige Krieg begonnen. Das Amt Naumburg lag im Durchmarschgebiet der Truppen aus den verschiedenen Lagern und die Bevölkerung litt schon 1621 außerordentlich stark darunter. Von allen Anfängen an mussten sie immer wieder für Unterkünfte, Nahrung und Futter sorgen, wenn die Heere kamen. Die Lage war insofern misslich, als nur vom Hessischen Landgrafen ein wirksamer Schutz zu erwarten war und der wiederum stand auch militärisch in einem anderen Lager als der Mainzer Territorialherr. Verständlicm dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn man seines Schutzes nicht bedurft hätte. Doch konnte er sich dem Flehen der Menschen nicht entziehen. Katholische Truppe, die in dem Naumburger Gebiet erschienen, konnten trotz aller Schutzversprechungen den Coriarius vorübergehend aus seiner Wohnung in Elben vertreiben. Er fand Schutz und Unterkunft in Züschen. 1624 marschierten Mainzer Beamte während des Gottesdienstes vor der Altendörfer Kirche auf, nahmen nach dem Gottesdienst den Coriarius fest und führten ihn nach Naumburg, wo sie ihn ins Gefängnis warfen. Dort wurde er gezwungen, eine Erklärung abzugeben, in der er eingestehen musste, er habe gegen die katholische Religion gepredigt, den Anordnungen des Territorialherrn, des Erzbischofs von Mainz nicht gefolgt und die Untertanen vom ordnungsgemäßen Gebetsgang abgehalten. Er musste sich verpflichten, nie mehr in den Dörfern zu predigen, die Orte auch nie mehr zu betreten. Coriarius kam diesem Versprechen nach. Er wurde Pfarrer in Haina, Vöhl und zuletzt in Frankenberg, wo er am 17. Dezember 1647 im Alter von 69 Jahren verstarb. Die Bevölkerung des Naumburger Amtes hatte in dieser Zeit weiterhin unter den Kriegsfolgen zu leiden. Tillysche Truppen überfielen 1626 Stadt und Dörfer, branntschatzten, plünderten und verheerten alles – Altenstädt lag damals in Flammen – und versetzten die Einwohner in Angst und Schrecken. Verzweifelt suchten die Menschen um Schutz durch den Landgrafen, der sich allerdings bis zu einer endgültigen Zusage Zeit ließ. Am 30.8.1631 war der Landgraf Wilhelm stark genug, in Altenstädt wieder evangelisch predigen zu lassen. Matthäus Züddelius aus Balhorn wurde mit der Versehung des Dienstes beauftragt, bis am 23.1.1632 Kilian Peträus das Kirchspiel übernahm und ab 1633 auch wieder die Stelle eines Diakons in Naumburg übertragen bekommen. Nach weiterem Besetzungen (siehe unten) wurde 1650 (der Krieg war beendet) Heinrich Wagner in Altenstädt und Altendorf eingeführt. Ihm sind die Wege zu beschwerlich gewesen, so dass er drei Jahre später Altenstädt an Balhorn abgab. Dort übernahm Pfarrer Bartholomäus Thomas seine alte Gemeinde, die er 1637 –1643 bereits von Elben aus versorgt hatte.
Die Situation in Altenstädt nach dem Westfälischen Frieden (1648)
Nach langen Verhandlungen wurde am 24. Oktober 1648 zu Münster und Osnabrück der Westfälische Friede geschlossen, der den Konfessionsstand, die Gebietsverhältnisse und die Reichsverfassung regelte. Wie sich auch in Altenstädt zeigen sollte, hatte dieser Friede zwar den Besitzstand der Konfessionen rechtlich festgelegt, aber der konfessionelle Kleinkrieg dauerte fort. Noch am 30. Juni empfahlen Vizekanzler und Geheime Räte zu Kassel, „ob es wohl wegen der ietz erzehlter beschaffenheit (in den beiden Dörfern Altenstädt und Altendorf) man sich diesfalls der armen Leuthe nicht unbillich anzunehmen und Ihnen wohl zu gönnen weher, daß der wahren seeligmachenden Evangelischen religion gelaßen werden möchte. Dieweil es aber nun mehr im Reich Teutscher nation also ab- und kundlichen herbracht, daß kein Cuhrfürst der nicht seiner religion zugethan sey, so wirdt uneres ermeßens bey Ihrer Cuhrfüstl. Gnaden ein solches schwerlich zu erhalten stehen und ungern nachgeben. Stellen derowegen zu e. gn. hochvernunftigen gnedigem gutachten unterthenig anheimb, ... ob des armen leuthen diesertwegen etwas zum Besten erhandelt werden könnte“. Diesen Befürchtungen entsprach der Befehl des Mainzer Kurfürsten und Erzbischofs, schriftlich festgehalten am 20.1.1649 durch v. Fürstenberg, dass Altendorf und Altenstädt mit einem katholischen Prediger zu versehen sei. Wenig später (10.4.1649) kam ein weiterer Brief, aus dem hervorging, dass nach Mainzer Ansicht in 1624 ein katholischer Prediger in beiden Orten gewesen sei. Daher kam unter Berufung auf den Friedensschluss die Forderung, der Landgraf möge den „der reformirten Religion zugethanen Pfarrherrn in obberürten unßern dorffschfften Altendorff und Altenstett den abzug fürderlich anbefehlen“. Die Reaktion Hessens war der Befehl an Johannes Vulcman, Metropolitan zu Wolfhagen, er möge mit zwei Pfarrherrn entweder aus seiner oder der Gudensberger Klasse den Heinrich Wagner, derzeitgen Pfarrer zu Elben in beiden Gemeinden Altenstädt und Altendorf vorstellen und einführen (“introducieren”). Dies geschah am 19. Mai 1650. Die Altendorfer nahmen ihn bei dieser Einführung freundlich auf, die Altenstädter dagegen, so Vulcman, hätten sich stillschweigend davon gemacht. Damit war die Sache nicht ausgestanden. Der Kommissar zu Fritzlar, Friedrich Caspar von Fürstenberg, zeigte dem Pfarrer Wagner an, er möge sich des Kirchenwesens und des Predigens in beiden Dörfern enthalten. Er habe Befehl empfangen, dass die beiden Orte demnächst durch einen katholischen Geistlichen versorgt werden. Hessen-Kassel jedoch wies ihren Geistlichen an, er möge sich „Seines Ambts in Lehren und Predigen daselbst fleißig, wie bißhero, also auch morgen und ferners annehmen“. Im übrigen solle er von dem Landknecht und weiteren Personen zum Gottesdienst begleitet werden, damit die Rechte des Hauses Hessen gewahrt bleiben könnten. , Friedrich Caspar von Fürstenberg hatte sich (Schreiben vom 18.9.1650) direkt an Wagner gewandt mit der Aufforderung er möge sich in beiden Dörfern „des Kirchen verwesens unt Predigen zuenthalten, gestlt solche beyzt Pfahrr hinwieder durch Catholische subievtos sollen versehen werden“. Nun war im Westfälischen Frieden eindeutig festgelegt, dass der Konfessionsstand in dem Jahre 1624 der Maßstab sei, nach dem jeder Ort in deutschen Landen in Zukunft bleiben solle. Für Altenstädt bedeutete das die Notwendigkeit des Nachweises, dass Coriarius bis zum Sonntag Estomihi dieses Jahres kontinuierlich gepredigt, auch Taufen, Trauungen und Beerdigungen sowie sonstige seelsorgerliche Aufgaben verrichtet hatte. Wie schwierig es war, Zeugenaussagen diesbezüglich zu bekommen, zeigt der Bericht des für Altenstädt zuständigen Balhorner Pfarrers Thomas vom 23.November 1654. Dieser unternahm auf Anweisung aus Kassel im Anschluss an den Sonntagsgottesdienst eine entsprechende Befragung. Die Zuhörer bejahten eine kontinuierlich Pfarrtätigkeit des Coriarius. Doch Thomas musste dann weiter berichten: „alß sie aber gesehen, daß ich umb Feddern undt dhinten, eines jeden Aussage absonderlich zu notieren, mich bemühet, haben sie sich gleich gewendet, mit Vorgeben es seyen der Hindell mancherley vorgangen, undt sie als Schreibens verefahren sich der Jahres-Zeitten so eigentlich nicht zu erinnern wüßten“. Nur die Witwe Elisabeth Ritter, aus dem reformierten Kirchberg stammend und 1623 nach Altenstädt kommend, bekannte, der Coriarius habe sie getraut. Sie sagte den Männern ins Gesicht: „es wehre wunder, das sie alles so gar vergeßen haben sollten, es seye ihr der Verlauff selbiger Zeit annoch so im friechen Gedachtnüß, als wens erst gestern geschehen“. Sie gab einen ausführlichen Bericht. Dazu bemerkte Thomas: „Nuhn beruhet dieses zwar mehren theils uff eines weibes Aussage, doch halte ich nicht dafür das sie deswegen in wind zuschlagen“, zumal die Aussage von anderen (Männern) bestätigt wurde. Thomas würde gern noch mehr berichten, „weil aber meine Pfarrkinder theils der Zeit sich nicht mehr zuerinnern wissen, theils aber aus beysorgen sie bey ihrer Herrschaft in Ungelegenheit kommen möchten, mit der Sprach nicht heraus wollen..“ sei ihm Weiteres nicht möglich. Es gibt aber zahlreiche Protokolle beider Seiten, in denen die entscheidenden Antworten der Einwohner festgehalten sind. Die Pfarrfrage konnte dementsprechend für 1624 auch ziemlich eindeutig geklärt werden. In der Konferenz zu Kassel Ende 1654 ging es denn auch weniger um diesen Beweis, als vielmehr um den Versuch der Mainzer, trotzdem einen katholischen Gottesdienst zu installieren. Ein Koexerzitium, also ein Nebeneinander beider Gottesdienste, wurde von Hessen abgelehnt, zumal die Zahl der Katholiken nur gering war. Pfarrer Thomas berichtete am 9.1.1654, es seine in seinem Filial 3 Männer katholisch. Ein anderer Vorschlag war, man solle einen katholischen Gottesdienst an den hohen Festtagen, besser noch jedes Quartal erlauben. Der hessische Plan dagegen sah vor, den Katholiken des Ortes den Besuch ihrer Messe in Naumburg uneingeschränkt zu erlauben und dem Besuch eines Priesters in Altenstädt in Krankheits- und ähnlichen Fällen nichts entgegenzusetzen, da das dann eine Art Privatgottesdienst sei. Gerungen werden musste um die Pfarrbesoldung. Eine Auszahlung des Altenstädter Teiles wurde von den Naumburger Beamten verweigert. Daher sollte sich Pfarrer Thomas erkundigen, „wie und welcher gestaldt den in Anno 1624 alda gewesener undt vertriebner Prediger salaryret (bezahlt), auch wie es mit dessen successoribus (Nachfolgern) den Päbstlichen Priestern nach der Hand gehalten worden, undt ob dieselbe ihre Besoldung, undt von weme sie solche bekommen hetten“. Wieder wurde die Befragung im Anschluss an einen Sonntagsgottesdienst duchgeführt und herausgefunden, „das der vertriebene Prediger, wie auch andere sein successores jederzeit der gewöhnlichen Pfarbesoldung aus des Gottes Castens gefellen, nemlich 20 Viertel partim, beneben 2 Thler. An gelde, 2 acker Landes undt einer Wiesen genossen, undt wüsten sie sich im geringsten nicht zu erinnern, daß jemahls einigem Prediger etwas andres oder von andern ortten verhandreichet, viel weniger dieser Besoldung anders wohin verwendet worden wehre“. Die Kastenrechnungen von 1629 bis 1631 würden diese Aussage klar bestätigen. Zu Altenstädt sei ein Ackerhof, den Henrich Gornemans Witwe besessen, und zwei Pfarrhufen zu finden, für die dem Pastor auf Anweisung der Kastenmeister jährlich 12 Viertel partim zu entrichten waren. Die übrigen Viertel „werden aus den Castengefällen von der Castenmeister Boden hergeschafft“. Daher bat Thomas die Kasseler Räte, „mir undt Ehren Wagnero, sampt beiderseits Schuldienern, unsern saur verdienten und durch den Numburgischen Schultheyssen wieder Recht gesperrte Besoldung grosgnädig zu öffnen, undt an die Zehendbeständern dieses orttes befehl zuertheilen, daß selbige aus dem gemalterten Pfaffenzehnden uns allen Abgang ersetzen und bis auff den geringstem korn satisfaction thun müssen“. So konnte erreicht werden, dass die Auszahlung der Pfarrkompetenz zugesagt wurde. Doch die Naumburger Beamten und der Pächter, einer, der „umb eines weibes willen“ zum Katholizismus übergetreten war, machten Schwierigkeiten. Letzterer vertröstete den Pfarrer zunächst, dann ließ er ihn kommen, damit er die Früchte einsacke und sie – entgegen dem Herkommen – mit eigenem Fuhrmann nach Balhorn schaffe. Das Getreide war jedoch außerordentlich schlecht. Deswegen beschwerte sich Thomas und musste sich deswegen beschimpfen und danach sogar mit der Faust niederschlagen lassen. Er erstattete unverzüglich Anzeige in Naumburg. Die Beamten versprachen eine Bestrafung und wollten Sorge dafür tragen, dass die Getreidelieferung ordentlich ausfalle. Aber nichts von beiden geschah. Thomas wurde wenige Tage später vom Pächter aufgefordert, seine Früchte (die nur noch als Schweinefutter zu gebrauchen waren) unverzüglich abzuholen. Trotz dieses Ärgernisses war die Angelegenheit im Grundsatz zugunsten des Thomas geregelt. Im gleichen Zusammenhang mit der Kastensache wurde die Rechtmäßigkeit der Einsetzung eines evangelischen Schulmeisters angefochten. Es sei befohlen worden, so bemängelte man aus Kassel, den derzeitigen Lehrer abzuschaffen und an seine Stelle einen katholischen einzusetzen. Bei Strafe sei dem Lehrer bereits verboten, eine ihm vom Gotteskasten gegen jährlichen Zins verliehene Wiese zu bewirtschaften. Er sollte sie an einen Bürger aus Naumburg abtreten. Die Schulfrage wurde ebenfalls die Situation im Normaljahr 1624 als wesentliches Argument herangezogen, so dass auch hier eine Erfragung erforderlich war. Die Situation stellte sich nach den Schreiben von Pfarrer Thomas von 1655 und 1656 folgerndermaßen dar: Das Amt des Opfermannes und des Schuldieners gehörten zusammen, was aufgrund der geringen Bezahlung gar nicht anders möglich war. Stelleninhaber war in 1624 Heinrich Schröder. Er blieb es auch, als Coriarius zunächst ins Gefängnis gebracht und dann abgesetzt war und konnte sich bis 1625 halten. Bis dahin versah er seine Arbeit. Er stellte die Uhr und bediente die Glocken. Dem inzwischen in Altenstädt predigenden katholischen Geistlichen wartete er im Gottesdienst mit seinen evangelischen Gesängen auf. Das ging solange, bis man ihn zur Konversion zwingen wollte. Das lehnte Schröder ab. Man enthob ihn des Amtes und nahm zur Strafe eine Kuh im Wert von 16 Thalern und etliche Ländereien. Schröder ging nach Merxhausen und unterrichtete dort so lange, bis er nach Altenstädt zurück konnte. Dort ist er gestorben und von Kilian Peträus begraben worde. Diesen Verlauf bestätigten ehemalige Schüler wie der Jacob Quitter in Balhorn und aus Altenstädt der Jost Thieleman, Jost Löber und N. Köhler, „so alle schreiben und lesen von ihme gelernet“. Im Mai 1656 wurden Greben und Älteste von dem Oberamtmann von Pappenheim nach Fritzlar befohlen und ist ihnen eröffnet: In 1624 sei kein evangelischer Schuldiener in Altenstädt gewesen. Daher sei der jetzige schleunigst abzuschaffen. Sollte er nach Pfingsten noch das Schulhaus betreten, werde er nach Naumburg ins Gefängnis gebracht. Der Grebe, der Angst vor eigener Bestrafung bekam, ließ dies dem Lehrer durch den Dorfknecht mitteilen und erschreckte ihn mit der Nachricht derart, dass er noch am gleichen Tag verschwunden wäre, hätte ihm nicht der Pfarrer gut zugeredet. Im Frühjahr 1656 war die Altenstädter Schul- und Opfernabbstelle erledigt. Der Superintendent hatte den Conrad Eysenberg, Bürger aus Wolfhagen, “der in singen undt Schreiben ziemlich geübtist” berufen, “es ist aber selbiger biß dato (12.Mai 1656), dem Herkommen nach, von der Nachtbaurschafft noch nicht eingeholet, under dem Vorwand, wie gern sie auch wolten, das sie ohne Erlaubnis der Chur Mayntzischen Beampten sich solches nicht understehen dörfften”. Pfarrer Thomas befragte die Beamten, warum sie diesen Befehl nicht gäben, weil ja “hierdurch Glocken undt Uhren, wie auch unser Gottesdienst, worbey wir eines vorsingers nicht entrathen können, mercklich undt gefehrlich verhindert wirdt”. Aber die Beamten verschleppten die Angelegenheit. Der neue Lehrer musste auf eigene Kosten mit seiner Frau das Allernotwendigste nach Altenstädt bringen. Der Transport des Großteils des Mobilars usw. stand noch lange Zeit aus. In der ersten Zeit der Zugehörigkeit der Altenstädts zur Pfarrei Balhorn wurde der Pfarrer dort jeweils gesondert eingeführt. Das machte immer erneut Schwierigkeiten bei den Mainzer Beamten in Naumnburg. Noch am 3. Advent 1670 erfolgte ein offizieller Protest bei Pfarrer Curtius. Deshalb verzichtete man später auf eine gesonderte Einführung in Altenstädt, wodurch von diesem Zeitpunkt an der Ort den Status einer Filialgemeinde von Balhorn erhalten hatte.
Die Situation in Altenstädt nach dem Deputationstag in Frankfurt 1656
Weder auf dem Deputationstag in Frankfurt, noch bei anderen Versuchen der Konfliktbereinigung waren die Probleme insgesamt zu lösen, die durch katholischen Landes- und evangelischen Kirchenherrn auftauchten. Bemühungen zur Grenzbereinigung gab es daher immer wieder. Auf unterer Ebene erfahren wir von Schwierigkeiten, die Pfarrer Johannes Curtius am 26. April 1686 an den Vizekanzler nach Kassel berichtet: Da war es kurze Zeit zuvor geschehen, dass innerhalb von 12 Stunden drei Personen „an der Haupt-Schwachheit“ gestorben waren. Sie sollten zusammen am 26. März beerdigt werden. Entsprechende Vorbereitungen waren diesbezüglich bereits getroffen. Am Abend des 25. März kam ein reitender Bote und überbrachte Pfarrer Curtius einen offenen Zettel. Darin wollte der Naumburger Rentmeister „aus angemasten fürwitz“ dem Pfarrer vorschreiben, welche Amtsverrichtungen er unter den gegebenen Umständen vorzunehmen habe. Curtius hat dessen ungeachtet am nächsten Tag „die 3fache leichtbegängnüß auf einmal ihr end lassen gewinnen“. Zweiter Streitpunkt war das Läuten. Wenn jemand gestorben war, verrichtete es der Schuldiener am folgenden Morgen um 7 Uhr mit beiden Glocken und erhielt dafür an Entgelt einen Laib Brot. Dabei tat er verschiedentlich zuviel des Guten, indem er eine Stunde ununterbrochen am Glockenseil zog. Curtius untersagte das. Daraufhin läutete in diesen Fällen nicht der Schuldiener, sondern ein anderer. Der Pfarrer klagte, es „bilden sich einige ein, weilen sie vor einem jahre, neben die vorige Glocke noch eine herbeigeschaffet, so müsse auch die durch deren direction erschallen wie es ihnen gefall“. Drittens habe der Altenstädter Grebe ein Jahr zuvor (1685) in Naumburg die erwähnte neue Glocke gießen lassen, ohne vor der Verdingung den Pfarrer hinzuzuziehen. Zur Bezahlung forderte er von einigen Kastenmeistern die rückständigen Gelder, was Curtius untersagte. Daraufhin verbreitete der Grebe die Behauptung, die Kirche gehöre den Altenstädtern und daher habe der Pfarrer die Obrigkeit auch in solchen Entscheidungen zu dulden. Einem ähnlichen „irrwahn“ sei der Grebe schon vor drei Jahren erlegen. Damals kam der derzeitige Schuldiener in das Dorf und Curtius führte die wöchentliche Betstunde ein. Um dem Lehrer das Deputat zu verbessern, „auch billig daß einem trewen arbeiter gelohnet werde“, bewilligte er ihm aus dem Überschusss eines ertragreichen Feldes jährlich ein Viertel Korn und sofern bei der damals üblichen Drei-Felder-Wirtschaft das Land brach liege, 2 Thaler. Der Grebe akzeptierte diese Regelung nicht. Er wies den Kastenmeister an, nur 12 Metzen Korn bzw. 6 Kopfstücke an Golde zu geben, „wolte er (der Lehrer) das nicht annehmen, sollte er nichts haben“. Eine vergleichbare Einstellung trat auch zutage, als Pfarrer Curtius den Kastenmeister anwies, dem Schulmeister ein neues Gesangbuch für die Kirche zu bezahlen. Der Grebe behauptete, dem Pfarrer stünde die Freiheit zu solcher Ausgabe nicht zu. Aus dem Verhalten schloss Curtius, der Grebe wolle Kirchengewalt ganz auf Mainzer Seite ziehen. Sein Verhalten deute darauf hin. Das aber müsse unbedingt verhindert werden. Die Altenstädter würden ansonsten – mit Ausnahme bei der Kirchenbuße – in den anderen Stücken „unserer Kirchenordnung sich gantz conform verhalten“. Nur bei den monatlichen Bettagen, an denen vormittags ein Gottesdienst stattfand, lasse niemand von den täglichen Geschäften ab, sondern arbeite in Haus und Feld wie an den anderen Tagen auch. Es möge diesbezüglich an anderen Orten gehandhabt werden, wie es wolle, er lasse es darauf in diesem Dorf Altenstädt nicht beruhen. Die geschilderten Dinge sind Alltagssorgen, wie sie wohl überall in dieser Zeit so oder ähnlich auftauchen konnten. Sie erhielten nur durch die Differenz zwischen Mainz und Hessen eine besondere Note, musste doch der Pfarrer eifersüchtig darauf achten, dass nichts von seiner Kompetenz an die Naumburger Beamten gelangte. In dem Gesamtzusammenhang dieser Differenzen wurde auch die Auseinandersetzung um den Bau eines Hauses eingeordnet, das 1692 der Altenstädter Reinhard Gerold für seine verheiratete Tochter errichten wollte. Wohnhaus und Scheune sollten über die Kirchenmauer hinaus auf dem Kirchplatz in einer Höhe zu stehen kommen, die dem Schiff entsprach. Das ohnehin sehr dunkle Gotteshaus würde dann an trübe Tagen gänzlich ohne Tageslicht sein. Sechs Jahre zuvor erst hatte Curtius zur Verbesserung der Verhältnisse ein großes Fenster brechen lassen. Die Einwände und Proteste des Pfarrers nutzten weder beim Bauherrn, noch bei den Mainzer Beamten in Naumburg etwas. Die Ober- und Unterbeamten waren münd- und schriftlich von ihm informiert, rührten sich aber auch nicht, als der Altenstädter Schuldiener gleich mehrmals den Rentmeister aufgesucht hatte. Jedes mal kam er ohne Antwort zurück. Curtius hatte erfahren, dass die gesamten Beamten sehr oft beim Bauherrn zu Tische geladen waren und auch jedes mal einiges mit nach Hause nahmen, was angesichts der geringen Amtsvorrichtungen nicht gerechtfertigt war. Der Verdacht lag auf der Hand, dass sie mit Gerold unter einer Decke steckten. Heimlich hätten sie sogar geraten, den Bau zu beschleunigen, um auf diese Weise der Kirche zu schaden. Daher kam die flehende Bitte an das Konsistorium, man möge doch Sorge dafür tragen, dass der Bau gestoppt wird. Die Maßnahme sei schließlich „auß eygener wilkühre undt gantz ohnbefugt, wieder alles recht undt Billigkeit“ in Gang gesetzt. Gerold hatte inzwischen das Bauholz herbeigeschafft und den „an sich heilig haltenden ort in einen Zimmerplatz verwechselt, darauf man ofters wegen ungeziemenden vielen gesperres mit nicht wenigen ungemach in die Kirche hatt müßen schreiten“. Die Hoffnung, der Bauherr würde sich „Zu folge seines guten gewissens, undt sich so wenig bey Gott, als der erbahren welt verhast zu machen“, zum Nachgeben erweichen lassen, trog, obwohl Gerold ja zur gleichen reformierten Gemeinde gehörte, wie die anderen Altenstädter auch.Es sollte ein dienstliches Ersuchen ergeben, den „satsamb bekannten Bawuhrheber, sambt deßen Zimmerman undt gehülfen bey ohnaußbleiblicher scharfer geltstrafe hierauf schleunigst zu befehligen, den solche wieder verantwortung erwehlten Zimmerplatz ohne aufschub zu verlaßen, das gehöltze von dem Kirchhof wegzuschaffen, ihrem unterhanden habenden Hauß außer dem Kirchhof eine Bawstett zuzuschen, damit unserer Kirche ohngekränkt undt ohnverderbt möge bleiben, auch die gantze Seite, so nun viele Jahre bloß von gebäwen sich gefunden zu dero ferneren herlichen nutzen, dieweil daher diemeiste tages scheinung, in abstattung unserer allerheiligsten Dienste uns zuwächst, in bißherigen gewünschten stande gelaßen werde“. Der Schultheiß von Gudensberg, als hessischer Beamter, wurde daraufhin mobil gemacht. Er nahm die Sache in Augenschein und machte heimlich eine entsprechende Zeichnung. Gleichzeitig erging ein erster offizieller Einspruch an den mainzischen Oberamtmann zu Frtizlar. Aber statt den Bau zu hindern, wurde immer mehr zur Eile gegriffen, um baldmöglichst Tatsachen zu schaffen. Es kam zu einen Protest des Naumburger Schultheißen bei Pfarrer Curtius wegen unerlaubter Amtsverrichtung hessischer Beamten. Gemeint war die Tätigkeit des Gudensberger Kollegen. Der Naumburger Schultheiß wollte Curtius nach der Kirche abfangen, es misslang ihm zunächst, dann stellte er sich dem Pfarrer so in den Weg, dass ein Ausweichen unmöglich wurde. Curtius behandelte den Beamten ziemlich kurz und von oben herab. Er bezeichnete ihn als verdrießlichen Schwätzer, der viel plaudernd mit Protestieren hinter ihm her gemacht hätte. Die Drohung jedoch, die Naumburger werden andere Kastenmeister einsetzen wurde wahrgemacht. An deren Stelle wurden Neue beordert mit dem Befehl, dass diese an dem Bau keinen Anstoß zu nehmen hätten, ja, sich überhaupt nicht darum kümmern sollten. Bei Strafe wurde ihnen angedroht, auf Curtius Anweisungszettel „nicht die geringste ausgabe mehr zu verrichten, sondern so arme läut sich von mier (Curtius) angeben, etwas zu empfangen, oder sonst etwas auszugeben vorfiele, sollten sie das alles nach de Naumburg weisen, oder des Dorfes Greben u. Vorsteher ansagen“. Die Aufregung hielt an. Am 27. Juni 1692 musste der Pfarrer feststellen, dass der Bau gerichtet war. Die Mainzer Beamten hätten aus Neid gegen die reformierte Kirche solches Treiben zugelassen. Diese Nachricht fasste Curtius ab, nachdem am Tage zuvor „die erschreckliche wasserergießung, an unserm sonst wasserlosen ort (war), durch solche schäumige flut, dergleichen niemand alhier dencken kann, welche den kirchhof sehr weit, u. inwendig die gantze Kirche (in Balhorn) gleich einem starcken strom beschwämmet“. In 1780 kam es zu erneuten Grenzregulierungsverhandlungen, diesmal von Mainzer Seite ausgehend und auf einen Gebietsaustausch abzielend. Als Entschädigung kamen vor allem mehrer ehemals hanauische Ämter in Betracht. Die in den folgenden Jahrzehnten unter großen Aufwand von Intrige und Diplomatie geführten Verhandlungen, in denen auch Bestechungen und einflussreiche Damen eine maßgebende Rolle spielten, hätten wahrscheinlich ein positives Ergebnis gezeigt, sie wurden aber unterbrochen durch den Ausbruch der Revolutionskriege. In 1788 stand auch das Episkopalrecht (episkopal=bischöflich) in Altenstädt zur Debatte. Am 23. Januar dieses Jahres wurde die “diesseitige Behauptung eines in dem Kurmainzischen Ort Altenstädt hergebracht sollenden Episcopal Rechts bei der diesmaligen Conferenz mit Kurmainz” geltend gemacht. Von jeder Seite wurden Erklärungen gewechselt, eine Beeinflussung der Mainzer Seite war aber nicht möglich, es war auch nicht zu erwarten, dass dieses geschehen werde. Im Gegenteil, die Mainzer werden alles aufs Höchste treiben. Unzweifelhaft steht ihnen nämlich das Territorialrecht zu. Das Episkopalrecht jedoch hängt von den klaren Besitzverhältnissen in 1624 ab und da war den Depurtierten wohl doch nicht alles so eindeutig, dass sie unanfechtbare Argumente anbringen konnten. Daher erschien eine Vertagung dieses Altenstädter Punktes ratsam, bis eine weitere Konferenz erneut Zeit lasse, um hier für Hessen vorteilhafte Konditionen zu erhalten. Diesem Vorschlag der Vertagung wurde mit Schreiben vom 17.12.1788 stattgegeben. Hessisches Recht sah in der Stuhlordnung vor, dass sich die Käuferin von der Verkäuferin im Beisein von Pfarrer und Kirchensenior innerhalb von vier Wochen nach dem Besitzwechsel des Hauses in der Kirche den richtigen Kirchenstand hätte zuschreiben lassen sollen. Dies war unterblieben, da die Verkäuferin zu dieser Zeit krank war und eine Freundin mit der Zuweisung beauftragt hatte Zeugenbefragungen, um diese leidige Sache endlich zum Abschluss zu bringen und sowohl den Platz in der 5. Reihe von hinten als auch den in der 2. Reihe von hinten der rechtmäßig dazu befugten Frau zuzuordnen, was im Januar 1807 auch geschah. Am Anfang des 19. Jahrhunderts kam es territorial für das Amt Naumburg und damit auch für Altenstädt zu einer einschneidenden Regelung, denn Hessen-Kassel kam durch den Luneviller Friedensprozess am 9. Februar 1801 in den Besitz des mainzischen Amtes. Damit war eine Grenzbereinigung vorgenommen, die immer wieder angestrebt war, aber nie gelang. Eine Bestätigung fand diese Regelung im Reichsdeputiertenhauptbeschluss vom 25. Februar 1803. Im Herbst dieses Jahres 1803 kaufte Franz Haupt und seine Ehefrau aus Breuna das Ackergut der Anna Catharina Eibek geb. Schluz, die dieses meistbietend schuldenhalber versteigern lassen musste. Zu diesem Haus gehörte ein Weiber- und ein Mannesstand (bezahlte Plätze) in der Kirche, die beim Hauskauf ebenfalls den Besitzer wechselten. Um den Weiberstand kam der Streit auf, der sich über zwei Jahre hinzog. Pfarrer Kimm wurde diesbezüglich um einen Bericht gebeten, aus dem hervorgeht, wie es zu solchen Ständen gekommen ist /Bericht vom 2.12.1805). Nachdem die Kirche im Jahre 1753 neu erbaut und die Kirchenstände fertig waren, hatte die Gemeinde noch hohe Schulden zu bezahlen. Jeder Einwohner hatte sich deswegen zu erklären, was er zur Tilgung der Schulden beitragen wolle und bezahle, worüber der Grebe 1757 eine genaue Liste anlegte. Dafür hat die Gemeinde die Kirchenstände unter sich verteilt. Diese Stände sind nicht nummeriert, sondern es hat jedes Haus in einmütiger Einwilligung je einen Mannes- und einen Weiberstand bekommen, was wahrscheinlich insgesamt ohne die Mitwirkung des Pfarrers geschah, da der weder ein Ständebuch noch sonst Nachrichten darüber hat. Wenn nun jemand ein Haus erbte oder kaufte, so gehörten die Stände als Eigentum mit hinzu. Allerdings kamen auch Vertauschungen und Verkäufe vor, doch dies geschah immer ohne Wissen des Pfarrers. Es kam zu einen heillosen Durcheinander, weil neben dem zum Haus gehörigen Weiberstand noch ein zweiter in den Besitz der Familie Gerhold-Wilhelm gekommen war. Und zwar hatte die Ehefrau Henrich Wilhelm, eine geborene Gerhold, einen Stand von der Anna Marie Gerhold (sie ist ledig verstorben) erhalten, diese wiederum hatte ihn von Johann Martin Ernst bekommen, weil dieser sie heiraten wollte, aber vor der Hochzeit starb. Güter und Haus des J.M. Ernst seien nach dem Tode verkauft, das Haus (und damit der Besitz an den Ständen) ging an einen Juden, der aber keinen Anspruch an den Weiberstand erhob und dessen Mannesstand weiter in seinem Besitz blieb. Nachdem die Sache zwei Jahre gut gegangen war, wurde Frau Haupt mit Gewalt aus ihrem Stand vertrieben. In einem Rechtsstreit sollte die Lage der Dinge geprüft werden. Schon die Frage, wer für solche Sachen kompetent sei, bereitete Schwierigkeiten. Als Kirchenangelegenheit wäre es eine Obliegenheit des Konsistoriums in Kassel, als zum Gebäude gehörige aber die der Fritzlarer Behörde (als Rechtsnachfolgerin der Mainzer Territorialgerechtigkeit). Da inzwischen beides hessisch war, kam es zu keinen Grundsatzdebatten darüber. Am 18. April 1806 traf das Konsistorium die Entscheidung, dass der Hausbesitzen auch die beiden Kirchenstände mit erworben hatte und sich die Beklagte dessen Betretung zu enthalten habe. Henriche Wilhelm war mit diesem Urteil nicht einverstanden. Zunächst bezichtigt er die Zeugen des Meineides. Dann forderte er Revision, weil er bemerkt hatte, dass dieses Urteil immer nur auf zwei Stände und nicht auf drei bezogen war. Er bestritt nicht, dass zum Haus ein Mannes- und Weiberstand gehörten, es bestritt aber, dass der von Haupts Frau geforderte Stand in der 4. Reihe, 1. Platz vom Turme her, sondern dass zum Haus der Platz weiter hinten, in der zweiten Reihe war. Es ging also darum, wer den weiter vorn gelegenen Sitz für sich beanspruchen durfte. Unter anderem wurde begutachtet, dass der Hauskauf des Haupt rechtlich schon nach hessischen Gesetzen zu regeln sei, da dieser nach dem Reichsdeputationshauptschluss erfolgt war.
Das 19. und 20. Jahrhundert, besonders die Entstehung der renitenten Gemeinde
Das 19. Jahrhundert ist kirchengeschichtlich in Altenstädt durch das Entstehen der renitenten Gemeinde bestimmt. Die Hessische Renitenz hat zwei Wurzeln. Zum einen ist es der Gegensatz zwischen einer vom rationalistischen Vernunftglauben geprägten Theologie und der Erweckungsbewegung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, zum anderen ist es die Frage nach dem Bekenntnisstand und der Stellung des Staates zur Kirche. Die Differenzen zwischen den Vernunftglauben und den Erweckten zeigten sich in Balhorn und Altenstädt im Protest gegen Pfarrer Kimm und Pfarrer Wagner. Ihnen warf die Gemeinde Gleichgültigkeit in kirchlichen Dingen vor. So ist es bezeichnend, dass bei einer Kirchenvisitation am 11.8.1852 festgestellt werden musste, dass die sechs Kirchenältesten in Balhorn und Altenstädt weder über die notwendigen Kenntnisse noch Einsichten für ihren Dienst verfügten. Es bildete sich eine Gruppe von “Erweckten”, denen sich auch Altenstädter Familien anschlossen, die regelmäßig sonntags nach Kassel zum Gottesdienst gingen und auch zu Hause Zusammenkünfte in ihren Wohnungen abhielten. Die andere Wurzel, die Frage nach Bekenntnisstand und Stellung des Staates zur Kirche war mehr politischer Art. Oberhaupt der Kirche war als “Summepiscopus” der Landesfürst und kein Geistlicher. Er wurde unterstützt von Konsistorien. Von dieser Herrschaft sich zu befreien war ein Anliegen, das z.B. jene etwa 100 Männer auf einer Konferenz von Jesberg in 1849 bewegte und dessen Forderung an den Kurfürsten Schlunck inhaltlich so zusammenfasst:”Geben sie die Kirche frei und legen Sie das Kirchenregiment in die Hände der Geistlichen zurück”. Das auslösende Moment schließlich, das zur Entstehung einer eigenen hessischen Renitenz in 1873 führte, war die Kabinettsorder des Königs von Preußen, nach der z.T. konfessionell verschiedene Konsistorien des ehemaligen Kurhessen mit Sitz in Kassel, Marburg und Hanau zu einem einzigen Konsistorium zusammengefasst wurden. Dies war sowohl eine Einmischung des Staates in innerkirchliche Belange und zwar ohne, dass die Geistlichkeit besonders Stellung dazu nehmen konnte, als auch eine Gefährdung des Konfessionsstandes, denn Unierten aus Hanau wurden vom gleichen Konsistorium beaufsichtig, wie die übrigen Evangelischen. 43 Pfarrer und etwa 3000 Gläubige konnten den befohlenen Schritt der Kabinettsorder nicht mit vollziehen. Sie wurden Renitente, eine Bezeichnung, die ursprünglich Spottname war, dann aber die gewissermaßen als Ehrenbezeichnung angenommene Selbsternennung einer eigentümlichen, kleinen, lutherischen Kirchengruppe wurde. Zu den 43 Pfarrern gehörte auch Ludwig Saul. Er versah seit 1853 in Balhorn und Altenstädt seinen Dienst. Im Gegensatz zu den oben erwähnten rationalistischen Pfarrern Kimm und Wagner hatte er Zugang zu dem Kreise der Kasseler Erweckten und blieb dieser Glaubensbewegung treu. In Balhorn und Altenstädt fand er besonders viele offenen Ohren. Deswegen blieben ihm die Gemeinden (anders als sonst im Kirchenkreis Wolfhagen mit Ausnahme von Sand) auch treu, als er am 5. Februar 1874 vom Amt enthoben und abgesetzt wurde. Am 8. Mai erhielt er den Befehl, das Pfarrhaus binnen 8 Tagen zu räumen, am 11. Mai bereits war der Auszug. So bildete sich sowohl in Balhorn als auch in Altenstädt eine renitente Gemeinde. Altenstädt war zunächst von 1874 – 1887 Filial von Balhorn. Wie genau das Geschehen behördlicherseits beobachtet wurde, wird deutlich aus den Notizen des Fußgendarmen Mörmel. Zugleich zeigt sich darin auch etwas von der Anfangssituation der neu entstehenden Gemeinde. Im Januar 1874 notierte Mörmel: “In Balhorn haben am Sonntag 17 und in Altenstädt 7 Personen den Gottesdienst besucht. Im Balhorn wurde im Pfarrhaus und in Altenstädt in der Wohnung des Kastenmeisters Klapp durch H. Pfarrer Saul Betstunde gehalten. Störungen sind nicht vorgekommen, nur haben sich einige Leute in Balhorn bei der Kirche aufgehalten und gesehen, wer dorthin gegangen ist. Sand nichts vorgekommen.“ Am 14.2.1874 notierte Mörmel – wohl etwas erschrocken und gespannt- „In Altenstädt ist ein Mann namens Ahrend gestorben, und soll nächsten Sonntag ohne Pfarrer und Lehrer beerdigt werden. So eben erhalte ich Kenntnis und werde morgen weitere Feststellungen machen. Über die Beerdigung wird Mitteilung geschrieben“. Erleichtert nahm er dann zur Kenntnis, dass doch der Pfarrer Uffelmann die Beerdigung vollzogen habe. Störungen seien keine gewesen. Etwa 100 Personen hatten teilgenommen, die alle auch den Gottesdienst besucht hatten. “In Altenstädt wird der Stand der Dinge nicht wie in Balhorn sein“. Die Beerdigungen wurden dann doch zum Problem. Schon am 10. März 1874 wurde auch in Altenstädt der Ackermann Johannes Schlutz „ohne Pfarrer und Lehrer still beerdigt“. „Vor dem Ableben soll der Herr Schlutz das Verlangen nach dem heiligen Abendmahl durch Herrn Pfarrer Uffelmann gehabt haben. Der Martin Schäfer und die Ehefrau des Schlutz sowie die Ehefrau des Konrad Wicken sollen es hintertrieben haben“. Es kam der Verdacht auf, dass bei diesen stillen Beerdigungen der Pfarrer Saul (inzwischen ja dienstenthoben) zugegen war. Das legte die Vermutung nahe, dass dieser doch gepredigt hatte, was ihm nicht mehr zustand und ausdrücklich verboten war. Um dem Glauben trotzdem Ausdruck zu verleihen, zog man singend vom Leichenhaus zum Totenhof, dabei wurde geläutet. Auf dem Friedhof stimmte man das Lied „Begrabt den Leib in seiner Gruft...“ an. Pfarrer Saul war zugegen. Er hielt jedoch erst eine Rede nach der Rückkehr zum Trauerhause. Am Grab selbst war der Vater des verstorbenen Kindes herangetreten, hatte Erde herabgeworfen und dann gesprochen: „Du bist Erde und zu Erde wirst du werden, und am jüngsten Tag wird dich der Herr Jesus Christus zu neuem Leben aufwecken“. Das königliche Konsortium in Kassel sah sich am 6.8.1874 genötigt, aus Anlass eines Vorfalls in Sand und natürlich auch den Vorfällen in Altenstädt einzuschreiten. Es wurde darauf hingewiesen, dass „außer dem bestellten ordentlichen Pfarrer am Grab Niemand, der nicht ausdrücklich die Erlaubniß der Kirche resp. des Pfarrers erhalten hat, zu reden befugt ist, den dortigen Beerdigungsplatz zu öffentlichen, den Zweck der prinzipiellen Nichtachtung des geordneten kirchlichen Amts als eine überflüssigen, verfolgenden und den kirchentreuen Mitgliedern der Gemeinde Ärgerniß gebenden Kundgebung zu benutzen“. Jede „laute Kundgebung von nicht kirchlich dazu verordneten Personen bei Gelegenheit von Beerdigungen in der Art, dass ‚stille’ Begräbnisse d.h. solche, welche nicht von dem Pfarrer resp. in Begleitung eines zuständigen sonstigen kirchlichen Beamten abgehalten werden“ wurde untersagt. Dabei berief man sich ausdrücklich auf das dem Konsortium „zustehenden ausschließlichen Rechtes der Beaufsichtigung und Verwaltung des dortigen Kirchhofes“. Reden, Gebete und Gesänge, auch beispielsweise von Angehörigen, waren damit bei dem Begräbnis nicht mehr erlaubt, auch nicht beim Gang zum Grabe. Die Ortspolizei hatte für die Durchsetzung der Anordnung Sorge zu tragen. Wegen bereits vorliegender Berichte von Übertretungen war die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Riedemann als Bürgermeister Altenstädts hatte sich darum zu kümmern, dass der Befehl beachtet wurde. Natürlich ging es nicht allein um Vorfälle bei Beerdigungen. Umstritten waren auch die Betstunden der Renitenten, die nicht während der Gottesdienstzeiten stattfinden durften. Pfarrer Saul hielt sie sowohl in Balhorn als auch in Altenstädt und zwar nach beendigtem Gottesdienst und wöchentlich 2 Stunden am Dienstag und Freitag. Bezüglich des Abendmahle berichtete der Gendarm am 24. Mai 1874, „dass heute durch Pfarrer Saul zu Balhorn und Altenstädt das H. Abendmahl gereicht worden ist. In Balhorn im Hause Ludwig Beger, in Altenstädt im Hause des vorhinnigen Kastenmeisters Klapp..... Störungen des sonstigen Gottesdienstes sind nicht vorgekommen. Die Renitenten wollen Alles daran setzen, ihre Angelegenheit durchzusetzen“. Aus gegebenen Anlässen heraus wurde offiziell überprüft, ob tatsächlich während der Gottesdienstzeiten die Betstunden unterbleiben. Am 6.12.1874 fand eine solche Überprüfung statt, der Gendarm besuchte zusammen mit Bürgermeister Riedemann während des öffentlichen Gottesdienstes das Haus des Ausschuss-Vorstehers Klapp, wo die Versammlungen gehalten wurden. „Während des Vormittags Gottesdienst fand ich (der Gendarm) dort 8 Personen 3 Mann 1 Frau und 4 Kinder anwesend, die weder beteten noch sonst eine Gottesdienstliche Handlung verrichteten. In diesem Falle habe ich wegen der geringen Zahl der anwesenden und zur Hälfte Kinder von der Aufhebung der Versammlung Abstand genommen. Während des Nachmittags Gottesdienstes (Hauptgottesdienst) fand ich Niemand dort anwesend“. Solche und ähnliche Berichte veranlassten die königliche Regierung, Abteilung des Inneren, die Überwachung zu verschärfen. In einem Schreiben vom 14.6.1875 an den Landrat Weber in Wolfhagen wurde die Anordung erteilt, den reitenden Gendarm Barth von Wolfhagen bis auf weiteres nach Balhorn abzukommandieren. Er hatte die Aufgabe, die Versammlungen und das gesamte Treiben der Renitenten in Altenstädt, Balhorn und Sand zu überwachen. Mit Ursache für diesen Befehl war der von einigen geäußerte Verdacht, der Fußgendarm könne unter Umständen mit den Renitenten sympathisieren. Bezüglich der Zustände wurde geäußert, sie seien so „wie sie bei einer geordneten Polizeiverwaltung nicht vorkommen dürften. Dabei genügt nicht, dass Sie abwarten bis Anzeigen über die betreffenden Vorgänge gemacht werden, und daß Sie die eingehenden Anzeigen an den Polizei-Anwalt gelangen lassen. Die einzelnen Fälle sind nur Symptome einer ausgedehnten Zerrüttung der Verhältnisse und es entspricht diesen Verhältnissen nicht, wenn nur der einzelne Fall ins Auge gefaßt und geschäftsmäßig erledigt wird...“. Wegen der gottesdienstlichen Tätigkeiten der Renitenten gab es auch eine gerichtliche 18Untersuchung gegen „1. Den früheren Pfarrer Ludwig Saul zu Balhorn, 2. Den Ackermann Jakob Wicke daselbst, 3. Den Krämer Christoph Schnellenpfeil zu Altenstädt“.Nach einer erstinstanzlichen Verurteilung stand in zweiter Instanz im Mittelpunkt der Überlegung, ob denn das geistliche als solches ein öffentliches Amt im Sinne des damals geltenden Strafgesetzbuches sei oder nicht. Das Appelationsgericht verneinte die Öffentlichkeit des geistlichen Amtes und gab in dieser Beziehung der Berufung der Angeklagten recht, die Kosten beider Instanzen wurden daher niedergeschlagen. Damit konnte Pfarrer Saul Gottesdienste, Taufen, Abendmahl und Beerdigungen durchführen. An weiteren Störungen hören wir nur von einer Klage des Lehrers Wettlaufer über einige Jugendliche, die seit einigen Wochen nachts seine und seiner Familie Ruhe durch Gesang störten, um ihn damit zu provozieren. Während anfangs im Hause des Ludwig Klapp die Stunden gehalten wurden, wird in einem Schreiben vom August 1875 bereits ein eigenes, für die privatgottesdienstlichen Zwecke errichtetes Haus erwähnt. Die Einweihung dieses Hauses hatte am 15. Juni 1875 stattgefunden, in Balhorn wurde sogar – als ersten Gemeinde in Niederhessen – eine eigene Kirche gebaut. 1887 wurde Altenstädt von Balhorn abgetrennt, Christoph Heinrich Engelbrecht wurde Seelsorger, der den Betsaal der Gemeinde (Kirche) 1923 neu erbaute. Nach dem Tod des Pfarrers Engelbrecht (1922) kam die Altenstädter Gemeinde als Filial zu Sand, hatte damals ca. 70 Gemeidnemitglieder. Seit 1963 wurde Altenstädt wieder von Balhorn aus betreut. 1998 feierte man das 125-jährige Bestehen in Kirche und DGH. Im Jahre 2000 hatte die Gemeinde in Altenstädt 68 Gemeindemitglieder.
Weitere Vorkommnisse im Bereich der ev. Landeskirche:
Im ersten Weltkrieg kam der Befehl, Orgelpfeifen und Bronzeglocken zu Kriegszwecken abzuliefern. Auch Altenstädt konnte sich dem nicht entziehen. Am 30. Juli 1917 läutete die größere der beiden Glocken von ½ 2 bis 2 Uhr zum letzten Abschied, nachdem sie fast 42 Jahre hindurch die Gemeindeglieder zum Gottesdienst eingeladen und bei freudigen und traurigen Ereignissen begleitet hatte. Sie trug die Inschrift „Ehre sei Gott in der Höhe“. 1875 war sie in Apolda gegossen. Nach dem Abschiedsläuten 1917, das nach der Beerdigung der Witwe des Heinrich Kimm stattfand, wurde sie von dem Glockenstuhl heruntergeholt und an der Südseite des Turmes auf ein hergerichtetes Lager herabgelassen. Ziemlich unversehrt kam sie unten an. Sie hatte ein Gewicht von 11 Zentnern. Am 31.7.1917 wurde sie in Wolfhagen abgeliefert. Am gleichen Tage kamen auch die Prospektpfeifen der Orgel im Gewicht von 180 Pfund zur Ablieferung (Kriegstagebuch). Die zweite Bronzeglocke wurde im zweiten Weltkrieg angefordert. Als Pfarrer Selig 1947 aus der britischen Gefangenschaft in Ägypten kam (auch Pfarrer kämpften als Soldaten!), entstanden voller Elan Pläne für die weitere Gemeindearbeit. Es wurde das vor der Kirche liegende Bauernhaus gekauft und als Gemeindehaus umgebaut. Es beherbergte unten ein Gemeindebad und einen Kindergarten, im 1. Stock einen großen und einen kleinen Gemeindesaal, im 2. Stock zwei Wohnungen und unter dem Dach eine Jugendunterkunft mit 22 Betten. Nach mehreren Umbauten diente das „Heinrich-Schröder-Haus“ Haus als Jugendherberge und Gemeindehaus, bis es schließlich im Jahr 2001 im Rahmen der Dorferneuerung vollständig umgebaut wurde. Auch die Kirche musste renoviert werden, die Bänke verursachten gesundheitsschädliche Ausdünstungen. Mit einem Gemeindefest wurde die Kirche in 2002 wieder eröffnet, nachdem der Gottesdienst zwischenzeitlich im Heinrich-Schröder-Haus und auch der SELK abgehalten wurde. Dabei konnte auch eine freundschaftliche Annäherung zwischen SELK und Landeskirche beobachtet werden. Seit dem 1.1.2005 sind die ehemals selbständigen Kirchengemeinden Balhorn und Altenstädt zu einer gemeinsamen verschmolzen.
Die Kirche - Baubeschreibung
Die Altenstädter Kirche ist ein Sandsteinbau mit gotischem, quadratischen Wehrturm im Westen und rechtseckiger Saalkirche mit 3/8 Ostschluss, der im Inneren halbrund ist. Das Treppentürmchen liegt im nördlichen Winkel zwischen Turm und Kirche, hat drei unregelmäßige Sechseckseiten und ist innen rund. Der Eingang, das Westportal, ist barock, hat Pilasterumrahmung mit toskanischer Basis und ein Kapitell mit Blattgehänge. Im Fries ist als Inschrift in Großkursive: H/aec Porta ao MD (es kommt die Muschel) CCLIV est posit/a (Im Jahre des Herrn 1754 wurde diese Tür gesetzt). Der Turm hat einen verschieferten Fachwerkaufsatz mit allseitig zwei gekuppelten stichbogigen Schallöffnungen. Er hat mit vier Achteckseiten ausspringende Erkerchen mit Kegeldächern. Der Helm ist ein achtseitiger Pyramidenhelm, der von einem Kreuz gekrönt wird. Im Inneren hat der Turm einen Erdgeschossraum mit rippenlosem Kreuzgewölbe. Das sich anschließende Schiff hat an der Südseite ein Mittelfenster, an deren Stelle eine rechteckige Türe war, deren Umrahmung noch zu erkennen ist. Im Sturz des Fensters ein Engelköpfchen, Blattgehänge und Ranke und Datum 1753. Das Dach ist eine Satteldach mit Chorwalm. Das Schiff ist innen ein Saal mit schlichter, flacher Stuckdecke mit Voute. De Altarplatz war erhöht, ist aber im Rahmen der Umbaumaßnahmen 2002 auf die gleiche Ebene gekommen. Der Altar ist in Tischform aus Sandstein. Die Kanzel ist aus Holz. Der Pfarrstand war verglast, stammte aus dem 17. Jahrhundert und existiert heute nicht mehr. Die Empore ruht auf quadratischen Stützen mit Kopfbändern. Die Orgel steht auf der verbreiterten Westempore. Schon vor 1753 hatte Altenstädt eine Kirche, deren Aussehen sehr eindrücklich aus der Zeichnung anlässlich des Lageplanes des Hauptbaues Gerhold hervorgeht. Aus welchen Gründen das Kirchenschiff abgerissen und der Turm so einschneidend verändert werden musste, ist nur vermutungsweise mit der Baufälligkeit anzugeben. Die bemängelte Dunkelheit allein (es sind nur drei Fenster in der Zeichnung zu erkennen) wird wohl nicht ausschlaggebend gewesen sein. Altenstädt besitzt ein Dreiergeläut aus Bronze, dass am 7. Februar 1966 feierlich eingeholt wurde (siehe auch “Glockengeschichte” udn Foto rechts). Sie waren in Sinn (Dillkreis) im Januar gegossen, eine Abordnung aus dem Ort wohnte dem Guss bei. Im Gutachten der Turmprüfung vom 16.3.1966, vorgenommen durch den amtlichen Glockenrevisor F. Hardege heißt es: „Wie die Läuteprobe ergab, zeichnet sich jede der 3 Glocken durch ganz besondere Klangschönheit aus und weist einen ganz eigenen Charakter auf. Die Geschlossenheit der Klanggebung ei den 3 Zweiergruppen und dem Vollgeläut erleidet dadurch jedoch keinerlei Einbuße, sie ist vielmehr gar nicht zu übertreffen. Nicht zuletzt ist dies der Rippenprogression zu verdanken. Es wurde hier ein meisterhaftes Geläut geschaffen, das in seiner Schönheit und ganz besonderen Charakteristik unmittelbar anspricht. Für das Gotteshaus mit seinem charakteristischen Turm und für die gesamte Gemeinde bedeutet dies Geläut einen ganz besonderen Gewinn, da zuvor 2 verrostete, misstönende Eisenglocken der Firma Ulrich & Weule ... das Geläut bildeten und einen ausgesprochenen Schandfleck darstellten.... Die 3 so völlig verschieden gearteten Dreiergruppen lassen sich am sinnvollsten wie folgt einsetzen: gis‘– a‘ für Beerdigungen, a‘-h‘ für Trauungen, gis‘-h‘ für das Geläut am Sonntag morgen sowie für sämtliche Nebengottesdienste und Andachten....“. Die Kosten wurden von der Kirche und politischen Gemeinde aufgebracht. Sie lagen bei ca. 23.000 DM. Die große Glocke hat den Schlagton gis‘, hat einen Durchmesser von 104,6 cm und wiegt 678 kg. Der Schlagton der Mittleren ist a‘, sie wiegt 528 kg und hat ein Durchmesser von 96,6 cm; die kleine Glocke schließlich wiegt 381 kg, hat einen Durchmesser von 86,5 cm und den Schlagton h‘. Der Zustand der Kirche in Altenstädt nach dem 2. Weltkrieg lässt sich aus einem Bericht an das Landeskirchenamt vom August 1947 entnehmen. Danach war die Einfriedung zwar geschlossen, doch so reparaturanfällig, dass der Platz dem Geflügel zugänglich war. „Baum und Strauch, Rasenfläche und Wege sind verwildert. Das Kriegerdenkmal für 1914/18 steht auf dem Kirchplatz in der Nordwestecke. Die schwarze Marmorplatte mit den Namen der Gefallenen ist zerschlagen“. Der Dachboden wurde als Holzablage für die Kirche benutzt. Die Orgel stammte aus 1843, hatte 14 Register, ein Manual und ein Pedal und war 1947 zuletzt durchgesehen. Die notwendigen dargelegten Baumängel wurden vorerst nicht instandgesetzt, denn zur Aufbringung der Kosten war die baulastpflichtige politische Gemeinde auf ein Darlehen der Landeskirche in Höhe von 3.000 DM angewiesen. Aber eine positive Antwort aus Kassel bleib aus. Die 200-Jahrfeier der Kirche stand vor der Tür. Das Gotteshaus sollte dazu in frischem Glanz erstrahlen. Doch die Kirchengemeinde hatte dazu aufgrund der Verpflichtungen des Schröder-Hauses Finanzsorgen. 1956 wurde die Orgel abgebrochen. Die Orgel selbst war vom Wurm befallen und in der Substanz so schlecht, dass man die Orgel aus Hüddingen an ihrer Stelle aufbaute und defekte Teile gegen die noch intakten aus der Altenstädter auswechselte. Die Westempore wurde verbreitert, die Ostempore abgerissen, die Orgel umgesetzt. Die Kanzel einschließlich des Schalldeckels wurde versetzt und 50 cm niedriger gemacht, eine neue Kanzeltreppe, die der Chorgewölbung angepasst ist, wurdeangefertigt. Die gesamten Instandsetzungsarbeiten wurden 1956 abgeschlossen. Gesamtkosten: 22.293,83 DM. Leider gab es schon zwei Jahre später „Schwammalarm“. Das Institut für Forstbotanik und Forstgenetik der Forstlichen Fakultät in Göttingen bestätigte, dass es sich um den echten Hausschwamm handelt. Alles befallene Holz war auszubauen und außerhalb des Ortes zu verbrennen, das Mauerwerk, soweit es befallen war, vom Putz zu befreien und die Fugen bis mindestens 2 cm Tiefe auszukratzen und zu säubern. Die Mauern sollten abgeflammt und behandelt werden, alles Holzwerk musste mit einem Schutzmittel gestrichen werden. Davon abgesehen war die Kirch trockenzulegen und die schon 1948 als erforderlich angesehen Dachrinne anzubringen. 1973 und est recht 1975 zeigte sich, dass die Risse im Altarraum größer wurden. Der Turm hatte sich von der Kirche trotz Klammern gelöst. Zur Ausbesserung des Schadens wurde eine Reparatur am Chor als dringend erforderlich vorgeschlagen, weil die Standsicherheit der Stürze nicht gewährleistet war. Eine Baugrunduntersuchung ergab, dasss die Kirchenfundamente nicht bis zum tragfähigen Baugrund geführt wurden. Daher war die Kirche zu unterfangen. Die umfangreich erforderliche Arbeiten wurden 1976/77 in zwei Bauabschnitten durchgeführt. Die Gesamtkosten betrugen 126.251,66 DM, hinzu kam in 1978 die Restaurierung des Eingangportales, das stark verwittert war. Die Gesamtsumme wurde in etwa zu gleichen Teilen von baulastpflichtiger politischer Gemeinde und Kirche aufgebracht. In 2000 musste die Spitze eine Erkers erneuert werden, die drohte, herab zu stürzen. In 2001 zeigte sich schließlich, dass die Bänke gesundheitsschädliche Ausdünstungen abgaben, so dass die Kirche lange Zeit geschlossen blieb, bis sie in 2002 wieder renoviert ihre Pforten öffnen konnte. In 2004 wurden die Stahlklocken, die bis 1966 im Turm hingen, auf dem Kirchplatz als “stumme Wächter für den Frieden” aufgestellt (siehe auch Ev. Landeskirche). Im Jahr 2009 wurden neue Altarfenster mit Glaskunst eingesetzt (siehe Unterseite). Quelle: 1150 Jahre Alahstat - Aldenstede - Altenstädt 831-1981 von Georg Feige (1981)/ S. 109 ff. Heinrich Wittekindt
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