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Milchannahme

Die Milchannahmestelle und Milchabgabe in Altenstädt

Kühe gab es bis in die 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts in den vielen Nebenerwerbsbetrieben, aber natürlich auch bei den Haupterwerbs- Landwirten. Heute gibt es nur noch ganz wenige Bauern, die Milch produzieren.
Deshalb gibt es in Altenstädt auch keine Milchannahmestelle mehr, die Milch wird auch  nicht mehr in Eigenregie abtransportiert, sondern direkt bei den verbliebenen Milchbauern abgeholt.
Früher wurde die Milch per Milchwagen bzw. Traktor nach Istha, Balhorn oder Bründersen in die Molkerei gefahren. Zu diesem Zweck gab es in Altenstädt “an jeder Ecke” so genannte Milchbänke, die zum Abstellen der Milchkannen dienten, aber auch beliebter Nachbar- schaftstreff waren.
Von 1970 bis 2000 gab es zusätzlich die Milchannahmestelle im “Voßborn” (heute Lager “Küchen-Kimm”).
Die Milchannahmestelle war die zentrale “Informationsstelle”, hier wurden die neuesten Neuigkeiten ausgetauscht und von dort weiter verbreitet.

I. Die Milchgeschichte von Altenstädt
II. Die Milchannahmestelle in Altenstädt

Siehe auch “Landwirtschaft früher

In 2003 renoviert, bis 2000 Milchannahmestelle :

I. Die Milchgeschichte von Altenstädt
aus den Erinnerungen von Helmut Kimm (Januar 2006)

Bevor die Molkerei in Balhorn 1903 anfing, Milch anzunehmen, wurde die Milch nach Istha gefahren. Adam Kimm fuhr ab diesem Zeitpunkt die Milch nach Balhorn bis er am 19.11.1936 beim Milchfahren tödlich verunglückte.
Danach gab es zwei Milchwagen, die nach Balhorn fuhren: der von Christoph Schnellenpfeil und der von Hans Kimm!
Als Hans Kimm in 1939 zum Militärdienst eingezogen wurde, fuhren verschiedene Bürger aus Altenstädt für ihn die Milch (Karl Langer, August Jakob oder auch der französische Kriegsgefangene Eugen ?).
Nach dem Krieg übernahm Hans Kimm wieder den Milchwagen für das “Unterdorf”, den anderen für das “Oberdorf” fuhr Karl Gertenbach (Grenze Unter-/Oberdorf war die Kasseler Straße).


Karl Gertenbach hatte schon früh einen Schlepper, Hans Kimm fuhr weiter mit den Pferden. Das war schon viel Arbeit: die Pferde mussten gefüttert, geputzt und auch noch “aufgeschirrt” werden. Aber es waren zwei treue Tiere. Sie kannten immer ihren Weg und wussten, wo jede Milchbank stand. Dort blieben sie schon automatisch stehen.

Foto: Hans Kimm mit den Söhnen Reinhard und Friedhelm Kimm

Manchmal wurde dann auf der Fahrt zur Molkerei nach Balhorn vorne auf dem Kutschbock ein Nickerchen gemacht. Tierarzt Dr. Gaßmann konnten dann seiner Frau erzählen, dass die Pferde mal wieder mitten auf der Straße gingen. Zu dieser Zeit fuhren ja kaum Autos!
Als Helmut Kimm, Sohn von Hans, dann den Führerschein gemacht hatte, übernahm er am Wochenende die Fahrten zur Molkerei mit dem Schlepper.
Ab und zu musste im Winter auf der Balhorner Höhe Karl Gertenbach abgeschleppt werden, denn dieser hatte keine guten Schneeketten auf dem Schlepper.
An den Milchbänken wurden früher viele Neuigkeiten ausgetauscht, der eine wusste das, der andere jenes. Es wurden auch Waren an die Bauern zurückgeliefert: Magermilch für die kleinen Schweine und Kälber, einige bekamen Molke zur Schweinemast. Hierfür gab es dann ein kleines Taschengeld für den Milchfahrer.

Bis zum 31.12.1969 wurde die Milch nach Balhorn gefahren. Am 1.1.1970 war Gudensberg der Zielort. Sie wurde dann von den Fuhrunternehmen aus Istha abgeholt. Helmut Kimm musste nun mitfahren, weil er die Kannennummern (Zuordnung zu den Bauern) kannte: schließlich hatte er 2 Jahre in der Molkerei Balhorn die Kannen ausgeschüttet.
Die ganze Sache mit der Milch nach Gudensberg klappte nicht so recht, so dass sich die Altenstädter Milchlieferanten zusammen setzten und beratschlagten, wie es nun weiter gehen sollte. Einige waren für Bründersen, einige waren für Gudensberg. Es wurden nachts Versammlungen abgehalten, es wurde gehetzt, jeder lief zu jedem um diesen für “sein” Ziel zu werben. Am Ende lieferten 17 Milchlieferanten nach Bründersen und der Rest nach Bad Wildungen.
Hans Kimm und sein Sohn fuhren die Milch bis zum 31.12.1976 nach Bründersen. Vom 1.1.1977 bis 31.12.1983 holte dann die Molkerei Bründersen die Milch mit dem Tankwagen selbst ab.

In 1984 wurde die Molkerei Bründersen geschlossen und es wurde mit der Molkerei Borken ein Vertrag abgeschlossen mit all den ehemaligen “Bründersen-Lieferanten”. Die anderen lieferten weiterhin nach Bad Wildungen über die Milchannahmestelle.
Der letzte Lieferant nach Borken gab seine Milchlieferung 1995 auf. Heute (2006) gibt es noch 2 Milchlieferanten in Altenstädt, früher waren es 60-70 und die Milchmenge, die nach Balhorn gebracht wurde betrugen täglich 3500-4000 Liter

II. Die Milchannahmestelle Altenstädt
aus den Erinnerungen von “Tante” Änne Siebert

Bevor das Gebäude im Voßborn 25 Jahre lang “Milchannahmestelle” in Altenstädt wurde, war es Kohlelager und später Wäscherei (siehe unten). In 1970 wurde es dann als Milchannahme die zentrale Informationsstelle in Altenstädt: Nicht nur die Plakate an den Holztoren, sondern besonders die Gespräche zwischen den Bauern und “Tante Änne” wurden zum Informationsaustausch in Altenstädt genutzt.

Als am 1.8.1970 Änne Siebert die Milchannahmestelle übernahm, hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel mit Landwirtschaft zu tun gehabt. Aber sie arbeitete schon vorher in dem kleinen Fachwerkgebäude in der Wäscherei - als Nachfolgerin von Frau Wischki und Käthe Mähl.
Ab dann hieß es: an sieben Tagen in der Woche morgens und abends präsent sein und die Kuhmilch, die von Altenstädter schwarz- und rotbunten Vierbeinern produziert wurde, aus den Behältern bzw. Milchkannen, die die Bauern anlieferten, abpumpen und wiegen. Dazu kam noch die sorgfältige Reinigung der Anlage. Einmal im Jahr drei Wochen Urlaub, das war’s dann aber auch schon in Sachen freie Tage.
Als Änne die Arbeit übernahm, war noch vieles anders als heute. Rund 35 Bauern hatten sich genossenschaftlich zusammengeschlossen und belieferten nun eine Molkerei in Bad Wildungen. “Am Brunnen” -heute heißt die Straße “Am Voßborn” - wurden Tanks und eine Kühlanlage installiert. Gegen Mittag wurde die eingesammelte Milch von einem LKW abgeholt. Gut 3.500 Liter waren es täglich. “Tante Änne” nahm die Milch morgens und abends an, mittags wartete sie auf den Tankwagen. Später wurde es dann immer weniger: nur noch etwa 2.000 Liter, der Tankwagen kam nur noch jeden zweiten Tag.

Foto: Änne Pfennig, Irmgard Pfennig, Christine Döring und Marie Gabriel 1978

In den ersten Jahren standen die Lieferanten Schlange, “da wurde geschnuddelt”, die neuesten Nachrichten ausgetauscht. “Die Gerüchteküche” nannte man die Annahmestelle und viele hielten deren Betreuerin für die bestinformierteste Frau im Dorf. Tante Änne sah das aber anders: “Die Motoren, die die Milch in den Tanks in Bewegung hielt, damit sich der Rahm nicht absetzte und die Pumpe waren viel zu laut um vieles mitzubekommen.”
Für die Kinder hatte Änne immer Bonbons auf Lager. So mancher Knirps musste, bevor er sich auf den Weg zur Schule machte, die Kanne Milch zur Annahmestelle bringen.
Die vier letzten Kunden - die Bauernfamilien Kimm, Derx, Riedemann und Zuschlag - überreichten ihr 1995 zum 25jährigen eine Blumenstrauß und einen Präsentkorb (siehe Foto). Vor der Annahmestelle wurde ein zünftiges Fest gefeiert. Natürlich wurden dabei auch Geschichten erzählt. Von dem Junggesellen, der immer mindestens eine halbe Stunde zu spät kam; von dem Unglückstag, an dem die gesamte Milch sauer wurde; von den kalten Wintern, in denen “Tante Änne” mit einer Wolldecke die Motoren, die die Milch in Bewegung hielten, vor dem Einfrieren schützte.
Im Dezember 2000 war es dann schließlich so weit: Die Milchannahme lohnte sich nicht mehr und wurde geschlossen.

Foto: “Klapp-Karle” und Christine Döring


Aus einem HNA-Bericht 1995: “Tante Änne” bei der Arbeit


1980: Danke für 10 Jahre Betreuung der Milchannahmestelle: Änne Siebert, Christian Göbel, Heinrich Döring und Ortslandwirt Otto Schnellenpfeil


1995: Danke für 25 Jahre Betreuung der Milchannahmestelle: Gerhard Derx, ?, Änne Siebert, Herbert Kimm, Walter Riedemann und Helmut Zuschlag gratulieren.

Zeitungsartikel, aufgehoben von Heinrich Pfennig (Zeit unbekannt)
Die Raiffeisen widmete das Gebäude um: von der Getreidereinigung und vom Warenlager in eine Wäscherei - etwa in den 50er und 60er Jahren in Betrieb.

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