II. Die Milchannahmestelle Altenstädt aus den Erinnerungen von “Tante” Änne Siebert
Bevor das Gebäude im Voßborn 25 Jahre lang “Milchannahmestelle” in Altenstädt wurde, war es Kohlelager und später Wäscherei (siehe unten). In 1970 wurde es dann als Milchannahme die zentrale Informationsstelle in Altenstädt: Nicht nur die Plakate an den Holztoren, sondern besonders die Gespräche zwischen den Bauern und “Tante Änne” wurden zum Informationsaustausch in Altenstädt genutzt.
Als am 1.8.1970 Änne Siebert die Milchannahmestelle übernahm, hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel mit Landwirtschaft zu tun gehabt. Aber sie arbeitete schon vorher in dem kleinen Fachwerkgebäude in der Wäscherei - als Nachfolgerin von Frau Wischki und Käthe Mähl. Ab dann hieß es: an sieben Tagen in der Woche morgens und abends präsent sein und die Kuhmilch, die von Altenstädter schwarz- und rotbunten Vierbeinern produziert wurde, aus den Behältern bzw. Milchkannen, die die Bauern anlieferten, abpumpen und wiegen. Dazu kam noch die sorgfältige Reinigung der Anlage. Einmal im Jahr drei Wochen Urlaub, das war’s dann aber auch schon in Sachen freie Tage. Als Änne die Arbeit übernahm, war noch vieles anders als heute. Rund 35 Bauern hatten sich genossenschaftlich zusammengeschlossen und belieferten nun eine Molkerei in Bad Wildungen. “Am Brunnen” -heute heißt die Straße “Am Voßborn” - wurden Tanks und eine Kühlanlage installiert. Gegen Mittag wurde die eingesammelte Milch von einem LKW abgeholt. Gut 3.500 Liter waren es täglich. “Tante Änne” nahm die Milch morgens und abends an, mittags wartete sie auf den Tankwagen. Später wurde es dann immer weniger: nur noch etwa 2.000 Liter, der Tankwagen kam nur noch jeden zweiten Tag.
Foto: Änne Pfennig, Irmgard Pfennig, Christine Döring und Marie Gabriel 1978
In den ersten Jahren standen die Lieferanten Schlange, “da wurde geschnuddelt”, die neuesten Nachrichten ausgetauscht. “Die Gerüchteküche” nannte man die Annahmestelle und viele hielten deren Betreuerin für die bestinformierteste Frau im Dorf. Tante Änne sah das aber anders: “Die Motoren, die die Milch in den Tanks in Bewegung hielt, damit sich der Rahm nicht absetzte und die Pumpe waren viel zu laut um vieles mitzubekommen.” Für die Kinder hatte Änne immer Bonbons auf Lager. So mancher Knirps musste, bevor er sich auf den Weg zur Schule machte, die Kanne Milch zur Annahmestelle bringen. Die vier letzten Kunden - die Bauernfamilien Kimm, Derx, Riedemann und Zuschlag - überreichten ihr 1995 zum 25jährigen eine Blumenstrauß und einen Präsentkorb (siehe Foto). Vor der Annahmestelle wurde ein zünftiges Fest gefeiert. Natürlich wurden dabei auch Geschichten erzählt. Von dem Junggesellen, der immer mindestens eine halbe Stunde zu spät kam; von dem Unglückstag, an dem die gesamte Milch sauer wurde; von den kalten Wintern, in denen “Tante Änne” mit einer Wolldecke die Motoren, die die Milch in Bewegung hielten, vor dem Einfrieren schützte. Im Dezember 2000 war es dann schließlich so weit: Die Milchannahme lohnte sich nicht mehr und wurde geschlossen.
Foto: “Klapp-Karle” und Christine Döring
Aus einem HNA-Bericht 1995: “Tante Änne” bei der Arbeit
1980: Danke für 10 Jahre Betreuung der Milchannahmestelle: Änne Siebert, Christian Göbel, Heinrich Döring und Ortslandwirt Otto Schnellenpfeil
1995: Danke für 25 Jahre Betreuung der Milchannahmestelle: Gerhard Derx, ?, Änne Siebert, Herbert Kimm, Walter Riedemann und Helmut Zuschlag gratulieren.
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