Die Abgaben der Altenstädter Bauern im 16. und 17. Jahrhundert
siehe auch “Grundlastenablösung” von Volker Knöppel 1. Bäuerliche Bevölkerung und Grundbesitz Seitdem es bäuerliche Abgaben gibt, besteht ein wirtschaftliches Interesse der daran Berechtigten, diese Leistungen genau zu erfassen. Dazu gehört auch die Erstellung von Abgabenlisten, in denen die Pflichten erfasst werden. Diese Abgabenlisten geben gleichzeitig einige der ältesten greifbaren Namenslisten von Altenstädter Einwohnern ab. In der Naumburger Amtsrechnung von 1579 werden namentlich 9 Ackerleute und 27 Ködder genannt. In der Amtsrechnung von 1590 ergibt sich aus der Zusammenstellung von vier verschiedenen Abgabenlisten eine Gesamtzahl von 8 Ackerleuten und 36 Untertanen, die größtenteils Ködder sind. Damit ergibt sich eine Zweiteilung der bäuerlichen Bevölkerung aus diesen Listen: Die Ackerleute sind Besitzer eines Ackerhofes mit Haus, Hofraum und z.T. auch Stall und Scheune. Dabei kommt es auch vor, dass ein Ackerhof auf zwei Familien aufgeteilt ist. Die Ködder oder Kotner sind Bewohner eines Hauses oder einer Hütte. Ihre Bezeichnung leitet sich daraus her (Kate = Häuslerwohnung, Hütte). Der Grundbesitz von wohlhabenderen Köddern erreicht manchmal den der Ackerbauern. Die Unterteilung der Bevölkerung in Ackerbauern und Kotner spiegelt die Verschiedenartigkeit von Rechten und Pflichten wider, wobei die wirtschaftlich stärkeren Ackerleute z.B. mehr Vieh auf den Gemeindeweiden halten durften als die Ködder. Schließlich werden in einer Abgabenliste, die alle Untertanen erfasst, auch Namen von Personene genannt, die keine Ködder sind. Hierbei wird es sich um die sogenannten Hintersassen handeln, z.B. um Knechte mit eigenen Familien, um Tagelöhner und Handwerker. Man muss bedenken, dass diese Abgabenlisten nur den steuerpflichtigen Teil der Bevölkerung erfasst hat. Hieraus können also keine Schlüsse auf die tatsächliche Einwohnerzahl Altenstädts gezogen werden. Aufs ausführlichste erfasst das Salbuch 1654 sämtliche Grundbesitzer im Dorf. Hierbei werden zuerst die Besitzverhältnisse der 10 Ackerbauern beschrieben. Es hat aber nur 9 Ackerhöfe gegeben, was so zu erklären ist, dass Johannes Möller und Lorentz Blueme je einen halben Ackerhof bewirtschaftet haben. Der Grundbesitz besteht einmal aus Äckern, Gärten und Wiesen, wobei die Äcker noch einmal unterteilt sind in Brachfeld, Kornfeld und Lenzenfeld. Diese Dreiteilung ist als Hinweis auf eine Dreifelderwirtschaft anzusehen, wobei das Ackerland in regelmäßigem Wechsel in Sommergetreide, Wintergetreide und unbestelltes Brachland eingeteilt ist. Neben dem Erbland bewirtschaftete jeder Ackerhof noch einen Anteil von 13 Ackern am Hof Schnegelsbach. Dieser Hof umfasste nach dem Ackerinventarium in der Amtsrechnung von 1579 eine Fläche von 155 Acker, ebenfalls in Dreifelderwirtschaft genutzt. Das Winterfeld und das Lenzenfeld waren je 10 Acker groß, das Brachland 45 Acker. Dazu kamen noch 10 Acker Triesch “so heym halben wege gelegen so Rodelandt undt die underthanen nicht ackern wollen”. Dieser Hof Schnegelsbach ist den Ackerleuten vom kurfürstlichen Kammerrath seel. “stendig fürterhin angethan”. 1654 wird im Salbuch für diesen Hof nur eine bewirtschaftete Fläche von 117 Ackern ausgewiesen. Die Differenz zur o.g. Betriebsgröße von 1579 kann wegen fehlender Unterlagen nicht geklärt werden. Für die Ködder ist es nicht nachweisbar, dass sie ihren Grundbesitz in der Form der Dreifelderwirtschaft bearbeiteten. Mehrer Ködder und Ackerleute besaßen zudem Erbland. Hier handelte es sich um Land, dass sie von der Grundherrschaft oder aus adligem Besitz gekauft hatten. Es war ihnen “erbeigentümlich” und unterlag ihrer freien Verfügungsgewalt, während der ansonsten bewirtschaftete Besitz nicht im Eigentum der Ackerleute oder Ködder stand. Unser heutiger Eigentumsbegriff war hierauf nicht anwendbar. Die Bauern waren regelmäßig nur nutzungsberechtigt, konnten aber über das Land nicht frei verfügen. Statistisch interessant ist, dass 1654 sich ca. 62% der gesamten Ackerfläche im Besitz der 9 Ackerhöfe findet. Das Gartenland ist bei den Ackerleuten unbedeutend und kommt bei den Köddern praktisch nicht vor. Dagegen besitzen die Ködder dreimal so viel Erbland wie die Ackerleute, und bei 5 Köddern ist die Fläche des Erblandes größer als die übrig bewirtschaftete Fläche. (siehe Tabelle unten)
2. Die Belastungen der Bauern
Das von den Bauern bewirtschaftete Land war ihnen von der Grundherrschaft ausgegeben worden. Als Gegenleistung dafür mussten Geldzinsen und Abgaben an die Grundherren entrichtet werden, die von der Renterei in Naumburg erhoben wurden. Aufgrund alten Herkommens, durch Abtretung, Vertrag oder Schenkung konnte der mainzische Landesherr seinen Untertanen aufgeben, diese Abgaben an andere Personen zu entrichten, z.B. als Teil der Lehrerbesoldung oder als Beitrag für den Kirchenkasten. Es gab die verschiedensten Arten von Leistungen: ständige, immer wiederkehrende festgesetzte Leistungen, und unständige, ungemessene Leistungen, die je nach Bedarf gefordert wurden. Es gab Geldzahlungen, Abgaben in Naturalien (Getreidelieferungen) und bestimmte selbst verrichtete Arbeiten.
2.1. Abgaben aus bewirtschaftetem Besitz In erster Linie kommt als Empfänger der Leistungen die Naumburger Renterei als Verwaltungsstele des mainzischen Landesherrn in Betracht. Aus der Aufstellung im Salbuch von 1654 geht hervor, dass jeder Ackerbauer eine Getreidelieferung zu entrichten hatte. Bewirtschaftete ein Kotner eine Hufe Landes oder einen Anteil daran, hatte er ebenfalls Abgaben nach Naumburg zu entrichten. Abgaben in Höhe von 30 Müth wurden auch aus dem zehntfreien Hof Schnegelsbach von den 10 Ackerleuten erhoben. Die Korneinnhame hat 1678 in Altenstädt insgesamt 1033 Müth betragen. Eine besondere Abgabe wird von den gerodeten Länderein erhoben. Sie wird als Rodezins oder Rodegeld bezeichnet. Es handelt sich hierbei um Äcker am Mittelbusch, im Schnegelsbach, auf dem Stockhagen, am Ippinghäuser Weg (Flunrnamen). Caspar von Hund aus Kirchberg erhält 1654 Abgaben von 4 Ackerbauern und frei Kotnern Die Junker von der Malsburg erhalten 9 Viertel partim (Korn und Weizen je zur Hälfte) von Dittmar Schleuser. Der Junker von Hertingshausen und Georg Samuel v. Dalwigk erhalten Abgaben aus einer Hufe Landes von Johannes Köster. Das Domkapitel zu Fritzlar erhält Abgaben von Adam Schäffer und Michael ernst aus je ½ Hufe Land. Nach Burghasungen sind von Elisabeth Theiaß Ritter Relicta aus dem als „Rittergut“ bezeichneten Ländereien 1 ½ albus und 2 Hähne zu entrichten. In die Kirche (gemeint ist wohl die Naumburger Stadtkirche) sind Abgaben sowohl aus Gütern als auch aus einzelnen Erbländern zu entrichten. Abgabepflichtig sind 9 Ackerleute und 14 Kotner. Als Abgabe in den Kirchenkasten bekommt der Pfarrer von Altenstädt 12 Viertel Frucht von zwei Ackerbauern. Zur Lehrerbesoldung gehen nach Elben in die Schule 4 Viertel Frucht. Auf das Rathaus nach Naumburg entrichtet Johannes Grasmäder Abgaben von 22 ½ Ackern. Laut Salbuch von 1588/89 gehen außerdem verschiedene Abgaben in Waldeckische Klöster. Getreideabgaben von Korn und Hafer hat Simon Hain aus 2 Hufen Land ins Kloster Werbe zu entrichten. Johann Nauxmann aus seinem Hof und Curtt Möseler und Jochim Göbell von 1 ½ Hufen Land geben Abgaben ins Kloster Netze. Joist Hausmann, Arndt Kunckels Rel., Reitze Vockell, Johan Weddigen, Johan Nauxman und Simon Hain entrichten Abgaben aus ihren Höfen ins Kloster Berich. Diese Getreideabgaben werden als „Klostergefälle“ bezeichnet. Darüber hinaus ist aus einigen Äckern ein „Pfenniggeld“ nach Berich zu entrichten. Diese Abgaben werden 1654 nicht mehr erhoben.
2.2. Die Zehnten (Der Zehntpfennig) Die Renterei Naumburg erhebt 1654 in Altenstädt folgende Zehnten: „Ein Roddenzehntlein vor Altenstetten, so Ihro Churfürstliche Gnaden undt den Unterthanen vom Rendtmeister veraltet was davon erhoben und berechnet wird“. „Die Zehende der große Zehende von Altenstetten, so den Geistlichen zu Fritzlar zueständig, welchen von den selben verwaltet, was davon erhoben ihnen naher Fritzlar gelieffert wirt“. Der Hof Schnegelsbach war zehntfrei. Daneben haben die v. Buttlar-Elbenberg den sog. Mittelbusch- oder Kleinstreitzehnten besessen, wie aus den Ablösungsunterlagen von 1850 zu ersehen ist.
2.3. Die Frondienste Einmal gab es die Hand- und Spanndienste. Es handelte sich hierbei zumeist um Reparaturarbeiten am Rentereigebäude in Naumburg. Je nachdem ob die Bauern dort arbeiteten oder Fuhren leisten mussten unterschied man nach Hand- und Spanndiensten. Solche Arbeiten umfassten das Anfahren von Kalk, Steinen, Ziegeln, Sand oder Lehm sowie das Wegschaffen von Erde aus dem Keller. Auch das Dachdecken auf dem Schloss Naumburg gehörte dazu. Da nur die Ackerleute die nötigen Fuhrwerke besaßen, kamen sie für die Fahrdienste in Frage. Die Kotner hatten dagegen überwiegend die Handdienste zu verrichten. Die Erfüllung der Dienste konnte zu jeder Zeit gefordert werden und war deshalb wohl besonders belastend. Zwischen 1816 und 1830 mussten allein die Altenstädter Bauern 107 Fahr- und 114 Handdienste bei Bauarbeiten an der Renterei leisten. Ein reiner Handdienst war das Wenden der Früchte auf dem Rentereiboden zu Naumburg. Zwischen 1815 und 1829 wurden dabei 1713 Handdienste verrichtet. Daneben mussten die Kotner Schnitter- und Drescherdienste erfüllen. Für den Schnitterdienst waren 2 Tage Arbeit auf dem Schloss Naumburg angesetzt, für den Drescherdienst 6 Tage. Man konnte diesen Dienst auch durch Geldzahlungen ablösen und hatte dann für jeden Arbeitstag 1 albus zu entrichten. Ohne Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse bestand für jeden Kotner die gleiche Dienstverpflichtung. Im Jahr 1654 hatte jeder Kotner für diesen Dienst den Geldbetrag von 8 ½ Kopfstücken und dazu ein Fastnachtshuhn abzugeben. Die Ackerbauern entrichteten zur gleichen Zeit 9 fl. (Gulden) Dienstgeld)
2.4. Die Lehngelder Die beim Besitzwechsel zu entrichtenden Lehngelder waren in Hessen oft als Zehntpfennigsgeld bezeichnet. Dieses Geld wurde auch bei der Erbfolge entrichtet. Das Lehngeld, das den Bauern an die Unvollkommenheit seines Eigentumsrechts erinnerte, war mit Recht sehr verhasst, zumal es naturgemäß mit der Steigerung des Bodenpreises Schritt hielt. Die Ungerechtigkeit dieses Lehngeldes (Kaufschilling) beim Todesfall des Bauern wird in einem Schreiben der Altenstädter Bauern vom 26.4.1848 an Rudolph v. Buttlar deutlich (Grundlastenablösung).
2.5. Andere bäuerliche Lasten Neben den oben genannten Abgaben bestehen noch viele weitere, die regelmäßig oder nur bei bestimmten Anlässen erhoben werden und durch Geldabgaben oder Naturalien zu begleichen sind. a) Das Besthaupt. „Wenn ein Ackerbauer oder ein Köddner in der beyden dörffern Altendorff und Altenstätte versterben thuett, muß die Nachgelaßne Wittibe oder wo keine ist die Erben, das beste Heupt in bey sein des He. Oberamptmanns theidiget und daß ertheidigt durch den Renthmeister berechnet werden“. Beim Todesfall des Mannes wird dann z.B. der Gegenwert des besten Kleides an die Renterei abzuliefern sein. Dazu einige Beispiele aus der Amtsrechnung aus 1591: Henne Jorenn zue Aldenstedtenn hinderlassene Erben vor beste haupt wegen Ires Vatters erben:15fl.(Guld.) Jost Dielemans zue Aldenstedtenn hinderlassene witwe Ires abverstorbenen Mannes erlegt: 1 fl. Henn Kunckels nachgelassene witb vors beste haupt wegen Ires verstorbenen Mannes, hat nichts eigenes, erlegt 1/2 fl. Sogar von den Ärmsten wird beim Trauerfall noch das beste Haupt erhoben. In der ganzen Einrichtung spiegelt sich eine Ungerechtigkeit wider, die keine Rücksichten auf menschliche Gefühle und auf die Bedrohung der Lebensgrundlage durch den Tod des Ernährers nahm. b) Aus drei Schafpferchen der Gemeinde wird Triftgeld erhoben, das 1591 4 fl. 1 albs. beträgt. 1678 wird dieses Geld durch den Verkauf von je sechs Hammeln und Lämmer aufgebracht. c) Das Geschoss (eine Art Steuern) ist zu Michaelis zu erheben. d) Will jemand ins Amt Naumburg einziehen, muss er einen bestimmten Geldbetrag als Einzugsgeld entrichten. Heiratet man in das Amt Naumburg ein, verringert sich das Einzugsgeld um die Hälft. Im Jahre 1678 erlegen Erwin und Melchior der Eidam (Schwiegersohn) des Dorfknechts je 1 fl. 40 Xr (Kreuzer). e) Zu Ostern sind von jedem Ackermann 10 Eier, von jedem Kotner 5 Eier an die Renterei abzuliefern. Dadurch erhielt die Renterei im Jahre 1590 insgesamt 195 Eier. f) Jedes Jahr muss das Dorf als Geschoss zu Michaelis 4 Gänse abliefern. Pro Jahr hat jeder Untertan daneben ein Fastnachtshuhn abzuliefern. Von dieser Abgabe bekommen die Dienstmägde 1 Huhn und jede Kinderbetterin ebenfalls 1 Huhn. g) Von den Branntweinbrennern wird die Steuer erhoben. Fritz Reute zahlt 1678 dafür 2 fl. Das Recht zum Bierbrauen hatte nur der vollberechtigte Ortsbürger (Ackerbauer), der hierfür Steuern zahlen musste. h) Naturalienabgaben bestehen aus Bohnen, Rübsamen, Hopfen, Butter, Käse, Speck, Öl und Wachs, Grummet, Roggen-, Hafer-, Weizen- und Dinkelstroh, Flachs, Garn und Leinen. Für Waldbußen, verkauftes Holz, Mastgeld, verkaufte Früchte, Wiesen- und Gartengeld, Auszugsgeld oder Zehntpfennig sind unregelmäßige Geldabgaben fällig. Einige Sonderrechte gelten für den Greben und den Dorfknecht: Der Grebe als Beamter der Herrschaft bekommt von den jährlich abzugebenden Eiern 10 Stück, und von dem erhobenen Dienstgeld behält er 2 1/2 fl. als Besoldung. Der Dorfknecht bezahlt kein Dienstgeld. 1654 wird berichtet: “Dieweillen er (der Kotner Arndt Nelle) itzo dorffes knecht wirdt er von Ihro Churfürstlichl. Gnad. dero Dienst Schnitter und Trescher, als nemblich dero - 8 1/2 Kopfstück, sampt dem Fastnachtshuhn befreyett”.
Der bewirtschaftete Besitz der Altenstädter Einwohner 1654 (in Acker):
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