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Türkensteuer

Die Türkensteuer

von Georg Feige

Eine Steuer, die über den aufzubringenden gewöhnlichen Zehnten und die üblichen Abgaben hinausging und bereits seit der Mitte des 15. Jahrhunderts bezahlt werden musste, war die Türkensteuer. Sie lässt sich für das Amt Naumburg mit den Dörfern Altendorf und Altenstädt urkundlich aber erstmals für die Jahre 1576, 1583 und 1594 nachweisen.
Sie war eine Art Wehrsteuer, wie sie im modernen Deutscland im Jahre 1911 auch einmal erhoben wurde. Die Verteidigung des „Heiligen römischen Reiches deutscher Nation“ und der Abwehrkampf gegen die türkische Invasion war Reichssache. 24 Jahre haben die Reichsstände dazu gebracht, um auf dem Reichstag die Türkensteuer zu beschließen. Sie wurde dann „zur Errettung Gottes ewigen und allein seligmachenden Wortes – auch des Vaterlandes – ” gegen den Erbfeind verordnet und die einzelnen Länder damit belastet.
Der Vorfahre dieser Türkensteuer scheint der Zehnte gewesen zu sein, der schon Jahrhunderte früher zur Finanzierung der Kreuzzüge erhoben wurde. Papst Clemens V. befiehlt noch am 1.12.1312 dem Mainzer Erzbischof Peter und den Bischöfen seiner Kirchenprovinzen den vom Konzil zu Vienne inAnwesenheit der Könige Philipp von Frankreich und Ludwig von Navarre auferlegten Zehnten für einen Kreuzzug zur Befreiung des heiligen Landes – befristet auf 6 Jahre – einzuziehen. Dieser Kreuzzug kam nicht mehr zustande. (Der letzte und siebente 1270 durchgeführte Kreuzzug hatte so wenig wie die vorausgegangenen auf die Dauer politischen Erfolg). Ob der Zehnte für den Kreuzzug erhoben wurde, war nicht festzustellen. Er hätte Altenstädt wohl auch nicht berührt, weil es zu dieser Zeit sicherlich noch nicht zum Amt Naumburg gehörte.
Ihrer eigentlichen Aufgabe muss die Türkensteuer nicht so recht nach gekommen sein, weil die Abwehr der Türken durch die kaiserlichen Truppen unzureichend und ungenügend war. Die Steuer hat anscheinend mehr dazu gedient, das auf dem Wormser Reichstag 1521 beschlossenen Reichsheer von 20.000 Mann und 4.000 Reitern mit zu unterhalten, obwohl dafür besondere Kriegssteuern erhoben wurden. Die eigentlichen Türkenkriege begannen auch erst 1664. Erst Herzog Karl von Lothringen und unter Mitwirkung des Polenkönigs Sobieski, der die Entsatztruppen in der Schlacht von Kahelnberg vor Wien (12.9.1683) befehligte, und der Reichstruppen, die von 1696 ab Prinz Eugen der edle Ritter führte, fielen die entscheidenden Schläge gegen die Türken (1697, 1716 und 1717).
Wolfgang von Gottes Gnaden, Erzbischof zu Mainz, und Kurfürst, teilte dem Schultheißen zu Fritzlar, Conrad Vernälick genannt Knipp, in einem mehrseitigen Schreiben vom 21.9.1583 mit, dass der Reichstag zu Augsburg ein Jahr vorher die Erhebung der Türkensteuer beschlossen habe und jetzt die Bestimmungen dafür gedruckt vorlägen. Hiernach sei die Steuer nach der Schätzung (des Vermögens) von allen weltlichen und geistlichen Untertanen zu erheben. Weil aber die „Erb- und Eigenthumbs Underthannen des Ampts Naumburgk unnd Herrschafft“ noch nicht über diese Steuer unterrichtet seien, müsste sie ihnen vom Schultheißen unverzüglich angekündigt werden. Er solle sich prompt nach Naumburg verfügen, damit der Zahlungstermin, der bevorstehende St. Martinstag (11.11.1583) noch eingehalten werden könne. Die ersten 16 Gulden müssten bei den Obereinnehmern in Mainz pünktlich eingehen. Der Schultheiß wurde aufgefordert, die Naumburger Erb- und Eigentumsuntertanen auch zur Einhaltung des Termines in den nächsten 5 Jahren, auf welche die Steuer verteilt wurde, zu verpflichten.
Ferner habe er den Befehl, die noch vom Reichstag zu Regensburg 1576 beschlossenen Türkensteuer „einzuheben“ und die Beträge nach Mainz abzuführen. Die im Amt Naumburg seien mit ihr noch „hinderstendig“, also rückständig. Der Schultheiß solle die Untertanen ihres schuldigen Gehorsams erinnern und dazu anhalten, damit man ihnen Gnade zuerkennen könne.
Über das Ergebnis der Bemühungen des Fritzlarer Schultheißen liegen keine Unterlagen vor. Wir können nicht feststellen, ob die Naumburger Untertanen die Steuer von 1576 und 1583 aufgebracht haben oder schuldig geblieben sind.
Nun fand sich in den gleichen Akten im Staatsarchiv Würzburg ein weiterer Vorgang zur Türkensteuer, diesmal für das Jahr 1594. Wir erfahren über das Allgemeine hinaus etwas mehr und für Altenstädt konkretes.
Der Reichstag zu Regensburg hatte 1594 erneut eine Türkensteuer beschlossen. Ob und inwieweit die Untertanen des Amtes Naumburg davon unterrichtet wurden, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Der Rentmeister muss aber die Anweisung gehabt haben (das geht aus dem Text hervor), die Türkensteuer anzukündigen.
Die kurfürstlichen Räte aus Mainz waren am 31.10.1594 in Fritzlar eingetroffen, um „vor Ort“ die Zahlung der Steuer durchzusetzen. Dazu wurden der Rat von Naumburg und die Dorfschaften Altendorf und „Altenstett“ zum 2.11. nach Naumburg beordert, um dort die Ausführungen der Räte anzuhören. Die Naumburger und Altendorfer waren pünktlich zur Stelle. Die Altenstädter nicht. Sie kamen eine Stunde zu spät: sie hätten „wegen ihrer großen Unvermöglichkeit der Wege nicht haben vorwärts kommen können“. Sie wurden „gnädiglich“ entschuldigt, aber „das Hauptwerk ist ihnen nicht weniger ausführlicher Erzelung geschehen, wie man aus Ursach und Erwegung, daß der Türck den getroffenen friedstand gebrochen, die Crohn Hungern (die Krone Ungarns) fast mit Hehrkraft überzogen, viel Hauß eingenommen, große Anzahl Christen hinweggeführt und also das Königreich Hungarn undt alle der orts gelegener Christliche Lande in großen Jamer gesetzt“. Darum sei also diese Türkensteuer nicht zu umgehen und zur Abwendung noch größerer Gefahren unumgänglich. Man müsse darum von „der Naumburg“ und den beiden Dorfschaften, den Steueranschlag von zusammen 1500 fl. (=Florenus, Gulden, benannt nach der Stadt Florenz, deren Stadtwappen die Lilie – flos –ist) erheben müsse. Die Stadt solle 1000 fl. und die Dörfer zusammen 500 fl. aufbringen, die sie in schuldigen Gehorsam „wider ihre Obrigkeit uff benandtes Ziel richtig zu machen“ hätten.
Der Rat von Naumburg und auch die Dorfschaften wehrten sich sofort gegen solche „Beschwerungen“ und brachten „ziemliche Einwände“ dagegen vor. Die Mainzer Räte ließen die Beteiligten getrennt beraten. Naumburg schlug vor, die Stadt mit höchstens 800 fl. zu belasten und die restliche Summe auf die beiden Dörfer zu übertragen. Die Stadt sei stets mit den beiden Dorfschaften gleichgestellt worden; deshalb dürfe das diesmal auch nicht anders gehandhabt werden. Auch bei „nur“ 800 fl. habe die Stadt ihre Last, sie aufzubringen. Die Räte zeigten wenig Entgegenkommen, sagten aber zu, die Steuer auf 7 Jahre zu verteilen, anstatt auf nur fünf. Sie hätten keine Vollmacht, sich auf eine Ermäßigung einzulassen.
Die beiden Dorfschaften wurden – trotzdem sie sich „so hoch beschwerten“ – gleich „bei der ersten Aufforderung von 500 fl. gelassen“. Die Einwände des Dorfes Altenstädt wurden mit der Begründung abgewiesen, sie hätten die geringste Ursache, um Herabsetzung der Steuer nachzusuchen. Sie hätten gegenüber Altendorf die größere Einwohnerzahl und ihre Nahrung nach kämen sie billig davon. Altendorf sei hiernach wohl schlechter als die Altenstädter gestellt. Daraufhin haben letztere erklärt, „sie wollten ihre gepühr (=Gebühr) willig und gehorsam ausrichten“.
Der Rentmeister wurde angewiesen, die „Außtheilung in den Dorfschaften nach vermögen eines vor dem anderen gleich zu halten“.
Leider enthalten die Akten keine Namenslisten mit den Beträgen, wie die einzelnen Einwohner von Altenstädt mit der Türkensteuer belastet wurden. Nach dem Salbuch von 1592 zählte das Dorf etwa 35 Haushaltungen, davon 8 Hofbesitzer. Wenn die von beiden Dörfern aufzubringenden 500 Gulden auf 8 Jahre verteilt wurden, wie das aus den beigefügten Tabellen hervorgeht, dann hatte jedes Dorf jährlich 31,25 fl. zu zahlen und in Altenstädt jeder Haushalt 10 Prozent weniger als einen Gulden (Die Hofbesitzer dürften stärker, die Ködder weniger zu zahlen gehabt haben). Immerhin war das doch für die damalige Zeit ein horrend hoher Betrag für den Einzelnen.
In der Originalübersicht über die Belastungen von Naumburg und der beiden Dörfer werden die zu zahlenden Beträge allerdings in Reichstalern angegeben. Wenn die gebräuchliste Münzeinheit Jahrhunderte hindurch der Gulden war (abgekürzt = fl.), dann machte ihm etwa ab der Mitte des 16. Jahrhunderts der Taler die Herrschaft streitig. Gulden und Taler wechselten deshalb in ein und denselben Urkunden immer wieder miteinander ab.
Man kann eine Steuer – gleich welcher Art – für vertretbar halten, aber gerne wurde sie von niemanden wohl bezahlt. Diese Art Steuer zeigt aber, wie das entfernteste, das kleinste Dorf in das Weltgeschehen einbezogen wurde, wie dieses sich bis in den letzten Winkel auswirkte und das Eigenleben eines völlig teilnahms- und einflusslosen Dorfes stören konnte.

Quelle: 1150 Jahre Alahstat - Aldenstede - Altenstädt 831-1981 von Georg Feige (1981)

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