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Aus den alten Rechnungs- und Salbüchern von 1579, 1588 und 1592
von Georg Feige Ehe das heute für jeden Besitzer von Grund und Boden unentbehrliche Eigentumskataster ausgebildet wurde, war dies zunächst nur als Steuerkataster eingerichtet. Es bedeutete ursprünglich die Aufzeichnung und Registrierung der Kopfsteuer, später der Steuerhufe. Die Hufe bildete lange Zeit den Maßstab für die Abgabenordnung und -verteilung. Ähnlich einer Steuerrolle weitete sich das Steuerkataster im Laufe der Zeit zu einem langen Katalog der verschiedensten Abgaben und Dienste, die von den Einwohnern zu leisten waren, aus und ist mit der Fülle der Steuern, welche heute der Bund, Land und Gemeinden und die Kirche erheben, durchaus vergleichbar. Allerdings war man in früheren Zeiten weniger bürokratisch, korrekt und gewissenhaft, ohne indessen auf irgendwelche Abgaben oder Leistungen zu verzichten. Wer Steuern zahlen soll, erwartet Gerechtigkeit. Sie muss sich zur Erfassung der des steuerbaren Vermögens nach Lage, Größe und Güte des Haus- und Grundbesitzes und den darauf ruhenden Rechten richten. Voraussetzung hierfür wäre also eine verlässliche Registrierung und ein sorgfältiges Bestandsverzeichnis derselben. In späteren Jahren enthalten die Steuer- oder auch Lagerbücher genannten Register auch genaue Aufzeichnungen, die bis ins einzelne gehen, nicht aber ihre uns erhaltenen Vorgänger. Die Steuerlisten von 1579 - das Amt Naumburg betreffend - werden unter “Rechnungen” geführt. Sie sind zugleich auch die erhalten gebliebenen ältesten Rechnungen. Die nächsten nicht untergegangenen finden ihren Niederschlag im sogenannten “Salbuch Stadt und Amt Naumburg” vom Jahre 1588 und die vom Jahre 1592 im “Salh und Lagerbuch über alle des Amtes Naumburgks Jahrliche Inkommen”. “Salbücher” gab es schon seit 1207 (in Süddeutschland); in Hessen seit 1537 (als Folge der Verwaltungsreform des Landgrafen Philipp des Großmütigen). Das Amt Naumburg war also ein bisschen spät dran, hat aber dafür den Begriff “Salbuch” sehr wörtlich genommen: “Inventar landes- oder grundherrlicher Rechte und Einkünfte aus dem Besitz”. Die Verzeichnisse von 1579, 1588 und 1592 sind tatsächlich “Inkomen-”, “Innham-”, also ausschließlich Einnahme-Bücher für den Landesherrn, den Erzbischof von Mainz. Wir erfahren über den Besitzstand der Einwohner Altenstädts herzlich wenig. Dennoch sind uns diese Steuerverzeichnisse außerordentlich wertvoll, weil sie uns erstmals wohl alle in Altenstädt zu dieser Zeit vorkommenden Namen nennen, wobei gar nicht sicher zu sein braucht, dass sie alle einen selbständigen Haushalt geführt haben. Bei dem Steuerregister von 1579 handelt es sich in erster Linie um Haus- oder Grundbesitzer bzw. Haus- oder Grundeigentümer, von denen womöglich mehrere von ihnen zusammen einen Haushalt bildeten, wie es namentlich bei engeren Familienangehörigen oftmals der Fall gewesen sein dürfte und wie das auch heute noch vielfach gang und gäbe ist. In dem Verzeichnis fehlen aber auch nicht die Besitzlosen, d.h. alle diejenigen Dorfbewohner, die nicht im Besitz von Häusern und Ländereien waren und nur die Herdsteuer (“Herdschilling”) zahlten. Im Amt Naumburg wurde sie anscheinend mit der Ablieferung von 1 Huhn und einer Anzahl Eier bezahlt. Nach den Unterlagen von 1579 wurden die Abgaben noch nach der alten Hufenordnung erhoben, wonach die Gehöfte und Ländereien als Einheit betrachtet wurden. Hierbei spielte es keine Rolle, ob der Besitz groß oder klein war. Die Leistungen waren für alle die gleichen, wenn es sich um allgemeine Abgaben handelte. Ansonsten richteten sie sich nach der Art und der Zahl der Äcker, aber genaue Aufzeichnungen über das Besitztum des einzelnen Bauern enthält diese Steuerakte nicht. Im “Historischen Ortslexikon für Kurhessen” von H. Reimer wird die Einwohnerzahl für Altenstädt im Jahre 1579 mit “21 Kötnern” angegeben. Die Zahl der Kötner stimmt zwar, die der tatsächlichen Einwohner aber nicht. Nach den vorliegenden Archivalien muss sie sich einmal um die neun ausdrücklich aufgeführten Ackermänner (=Hofbesitzer) und um weitere in dem Steuerverzeichnis angegebene 8 Personen erhöhen, so dass die effektive Zahl 38 betragen müsste. Die Zahl der Haushalte kann aus den oben angegebenen Gründen darunter gelegen haben. Nehmen wir nun mit Jastrow “Die Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit”) durchschnittlich 6-7 Köpfe für einen Haushalt und davon nur 30 anstelle von 38 an, so zählte Altenstädt um 1579 zwischen 180 und 210 Einwohner. (4 Kinder pro Haushalt dürfte für die damalige Zeit gewiss nicht zu hoch gegriffen sein). Nun heißt es bei dem oben zitierten H. Reimer auf Seite 429 in Bezug auf den Hof Schnegelsbach wörtlich: “Schnegelsbach, wüst im Gericht Naumburg vor Altenstädt. Schregelsburg 1537 (Wolfhager Salb.). Schnägelsbach war ein mainzischer, den Altenstädter vermeierter Hof 1654 (Naumbugrer Salb. 483), der damals wüst lag seit dem Kriegswesen (Naumburger Rechnung v. 1649). Noch die Rechnung von 1731 führte den Hof Schnegelsbach an”. In der Literatur und auch sonst wird die Meinung vertreten, der Hof Schnegelsbach sei im Dreißigjährigen Krief zerstört und nicht wieder aufgebaut worden. Diese Annahme ist irrig. Nach den Steuerunterlagen von 1579 existierte der Hof schon zu dieser Zeit nicht mehr. er wird weder als Gehöft, noch ein Besitzer dafür ausgewiesen. Das einmal zu ihm gehörende Land mit der Flurbezeichnung “zur Schnegelsbach” war hier schon an die Altenstädter Hofbesitzer verteilt. Nach den Rechnungsunterlagen zahlten 7 Ackermänner für die ihnen zugeteilten Äcker oder “Stücke Roddeland” ihre Abgaben, das sogenannte Roddegeld oder - nach heutigem Sprachgebrauch - den Zins als Pacht für gerodetes Waldland. Der Hof Schnegelsbach müsste hiernach auf einer Rodung entstanden sein, vielleicht einem ehemaligen Waldstück zwischen dem Mühlenholz und dem Bründerser Busch, dessen letzte Eichen erst um 1900 “gerodet” wurden. Diese Rodung muss aber Jahrhunderte zurückliegen, weil ab dem 13. Jahrhundert mit der Gründung der Städte kaum noch gerodet wurde. So hat sich also lediglich der Name als Erinnerung an die frühe Rodung erhalten. Im etymologischem Wörterbuch von Prof. J.K. Brechenmacher weist dieser darauf hin, dass die alt- und mittelhochdeutsche Form “snegel” neben Schnecke Geltung habe, aber “Schnegg” auch “klein gewachsen” bedeuten könne. Bei Flurnamen sei mit diesem Begriff zu rechnen. Der Hof Schnegelsbach gehörte schon im 14. Jahrhundert zur Naumburger Gemarkung. Ab dem 30.4.1345 hatten die Grafen von Waldeck über sie die Pfandschaft und so erhielten die Brüder Heinrich, Dieter und Otto von Ronneburg dem Hof Sneydebach vom Grafen Heinrich IV. im Jahre 1380 als Burglehen. Sind wir berechtigt, anzunehmen, “Sneydebach” sei der ursprüngliche Name für den Hof Schnegelsbach gewesen, dann dürfte dieses “sneyden” auch mit der Rodung im Zusammenhang stehen, gleichbedeutend mit einer “Schneise” durch die Waldungen links und rechts. Wir kommen natürlich auch hier über Vermutungen nicht hinaus, weil ein urkundlicher Beweis nicht möglich ist. E. Klibansky führt in “Die topographische Entwicklung der kurmainzischen Ämter in Hessen” (S.57) am, Altenstädt habe neben dem Hof Schnegelsbach noch einen zweiten, größeren Gutshof besessen, doch wird dieser nicht nachgewiesen. Der Junker Friedrich von Hertingshausen hatte 1579 Land, das an das des Hofes Schnegelsbach angrenzte; von einem Hof kann hier nicht die Rede sein. Wir erinnern uns, dass dem Ritter Reinhart von Dalwig im Jahre 1434 vom Kloster Hasungen das “Stiftsgut” in Altenstädt auf Lebenszeit überlassen wurde. Im Jahre 1435 erhielt der gleiche Ritter vom Kloster Werbe “ein Gut” in unserem Dorf. Kloster- und Stiftsgut ist nicht gleich “großer Gutshof”. Wir müssen es darum dahingestellt lassen, ob mit Ländereien ein Gutshof verbunden war, jedenfalls lässt sich bereits 1579 kein zweiter Gutshof nachweisen. In den mainzischen Lehensbriefen der v. Buttlar wird diesen die Verpflichtung auferlegt, an die Stelle der ehemaligen Kirche zu Gershausen - zum Ersatz des verfallenen Burgbesitzes zu Naumburg - eine Meierei anzulegen. Diese Meierei hätte ein großer Gutshof werden und sein können; die Lehnsempfänger scheinen aber diese Meierei nicht errichtet zu haben, weil sie nirgends erwähnt wird. In Verbindung mit v. Hund’schen Junker- oder Blätterwiesen wäre das sicherlich einmal der Fall gewesen. In den Akten wird auch einmal vom “Rittergut” und vom “Blumenhof” gesprochen, aber sie waren nach Familiennamen benannt. Nach den “Rechnungen von 1579” waren die Ackerleute Besitzer von Haus und Hof. “Haus und Hof” war der damals übliche Ausdruck für das normale Gehöft mit Wohn- und Nebengebäuden, Hofraum (und Garten). Über die Landausstattung dieser Gehöfte sagt diese Bezeichnung allerdings nichts aus. Sie müsste aber in der Regel 1 Hufe = Morgen = 7,5 ha betragen haben. Hofbesitzer waren 1579 Johann Naumann, Jost Haußmann, Johann Widdigen, Johann Macke, Peter Lauterbach, Hans Kunoldt, Johann Kunckel Witwer, Johann Ritter senior, Johann Kunckel. Unter “Ködder” (Dialekt) oder Kötnern waren Kleinbauern oder Landarbeiter zu verstehen, die kein oder wenig Feldgut besaßen. Die hatten kein Anspannvieh und die zur Bestellung der Feldgüter gehörigen Gebäudlichkeiten, Scheunen und Ställe. Sie waren darum auch von zu leistenden Spanndiensten befreit. All das änderte sich schon sehr zeitig durch die Erwerbung von Land und Anspann, wenn damit auch nicht die Größe einer vollen Hufe erreicht wurde. Daher erklärt es sich, dass auch von Ködderhöfen die Rede sein kann. Ködder waren im Jahre 1579 in Altenstädt: Joachim Göbel, des alten Henn Sohn, Curd Müßeler, Peter Lautterbach (Sohn des oben genannten Hofbeitzers?), Hans Jhorn, Heintz Busch, Jost Tilemann, Hans Lutterbach, Heinrich Bönning, Job Wolff, Hans Brueland, Hans Schneider (“der Schneider”), Jost Ermegardt, Jost Rembst, Curdt Schneider, Johann Brueland, Tiele Hausmann, Bestian Grasmeder, Hans Becker, Bestian Seibert (Siebert), Werner Seltzer. Das “Salbuch Stadt und Amt Naumburg 1588” entspricht nicht dem Begriff eines Salbuches und ist in seinen Aussagen dürftig. Es nennt lediglich sechs Hofbesitzer: Jost Haußmann, Arnth Kunckels Relicta (=Witwe), Reitz Vörkel, Johann Weddigs (=Widdigen), Johann Naumann und Simon Hain. Sie alle zahlten Lehensabgaben oder Pachtzins an die Klöster in Waldeck: Berich, Netze und Werbe. Das Sal- oder Lagerbuch von 1592 dagegen ist wesentlich ergiebiger, doch ist es für die damals zu entrichteten Abgaben und Leistungen geradezu ein Lehrbuch und charakteristisch für das erzbischöfliche Mainz, alle denkbaren Quellen und Möglichkeiten zu seinem finanziellen Nutzen ausschöpfen und den Schweiß des einfachen Mannes für sich verströmen zu lassen. Feldarbeit war bei den wenigen und dazu noch unzulänglichen Hilfsmitteln für unsere Vorfahren ein hartes Tagewerk. Wenn man nur von der Hand in den Mund leben konnte und vielfältige Abgaben zu entrichten hatte, können wir uns vorstellen, dass auch die Altvorderen oftmals starke Worte zum Dampfablassen gebraucht haben.
Quelle: 1150 Jahre Alahstat - Aldenstede - Altenstädt 831-1981 von Georg Feige (1981)
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