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Die Hausschlachtung in Altenstädt
LINKS: - Geschichte Hausschlachtung Ronneburg - Zur Fleischerei Rudi Döring - Ahle Wurst - Förderverein Nordhessische Ahle Wurscht - Interessantes zur Geschichte - Schlachtefest zur 1175-Jahrfeier
Nach Erinnerungen des Hausschlachters Fritz Ritter:
Hausschlachtung: das war über Jahrhunderte hinweg ein winterlicher Höhepunkt in fast jedem Haushalt auf dem Lande. In den letzten Jahren ist diese Art der selbstversorgten “Nahrungsaufbereitung” so gut wie ausgestorben. Teilweise wird heute noch zu Hause Wurst gemacht, den kompletten Schlachtvorgang aber findet man kaum noch vor. Wie andernorts auch wurde in Altenstädt unterschiedlich häufig im Jahr geschlachtet, je nach dem ob es sich um einen Großbauern oder Klein- und Nebenerwerbsbauern handelte. Später hatten auch Arbeiter und Kleinverdiener ein oder mehrere Schweine im Stall (der sich i.d.R. im Haus befand), die für den Eigenbedarf geschlachtet wurden. Teilweise wurden von den Großbauern auch Rindviecher geschlachtet, dann zusammen mit ein oder zwei Schweinen. Es wurden dabei reine Rindswurst (mit Schweinespeck), gemischte Wurst (halb Schwein, halb Rind) und reine Schweinewurst gemacht. Die Schweine wurden zu Hausschlachtungszeiten noch älter als heute. Mindestens ein Jahr durften die Schweine Fett ansetzen. Früher wurden die anfallenden Schweinehaare eingesammelt, getrocknet und im Frühjahr an den „Därmenhändler“ verkauft. Es handelte sich um einen wertvollen Rohstoff. Noch früher wurden sogar spezielle Schweineborsten aussortiert. Überhaupt hatten die Schweine früher viel mehr Haare. Im Dorf gab es hehrer Hausmetzger, in Altenstädt wurden mehrere hundert Schweine geschlachtet. In den 50er Jahren wurde eine gemeinsame Gefrieranlage in der ehemaligen Raiffeisen eingerichtet. Dann war es auch möglich, im Sommer zu schlachten und auch vermehrt Fleisch anstelle von Wurst gemacht.
Und so wurde es gemacht:
1. Prüfung durch Fleischbeschauer Erst einmal musste der Fleischbeschauer bestellt werden, der das lebende Schwein begutachtet. Daraufhin wurde mit ihm der Schlachttermin abgesprochen, der Metzger war bereits bestellt.
2. Schlachttermin: Zuerst musste das Schwein aus dem Stall geholt werden Der Metzger ging in den Stall. Er musste dabei versuchen, die Schweine ruhig zu behandeln, denn „aufgeregte“ Schweine konnten zu einer schlechteren Fleischqualität führen. Er legte dem Schwein einen Strick ans Bein und trieb es aus dem Stall.
3. Die Tötung erfolgte mit einem Bolzenschussapparat Nun wurde das Schwein angebunden. Der Metzger setzte seinen Bolzenschussapparat am Kopf oberhalb der Augen an, um direkt in das Gehirn zu treffen. In der Regel war das Schwein sofort tot. Nun war Eile geboten: mit einem Messer wurde dem Schwein in die Schlagader gestochen, damit es gut ausbluten konnte. Das Blut wurde in einer Wanne aufgefangen und musste dabei gut gerührt werden (um den Rinnungsprozess zu verhindern). Es wurde später für die Blutwurst gebraucht.
4. Im Brühtrog wurde das Schwein abgebrüht Nun ging es mit dem Schwein in den Brühtrog. Dort wurde heißes Wasser auf das Schwein geschüttet - aber vorsichtig, damit es nicht verbrühte. Daraufhin wurden die Haare mit speziellen „Schellen“ abgeschabt.
5. Auf dem Tisch erfolgte die letzte Rasur Mit vereinten Kräften wurde das Schwein aus dem Brühtrog auf die Schlachtebank befördert. Dort wurde es mit Messern fein rasiert und die letzten Haare entfernt. Nun wurden die Sehnen der Hinterbeine aufgeschnitten, und dort ein Krummholz befestigen zu können.
6. Schwein auf der Leiter Wieder war kräftige Hilfe gefordert. Das meist über 3 Zentner (150 Kilo) schwere Schwein wurde nun an die Leiter gehängt. Jetzt kam ein sehr wichtiger Moment. Der Bauer musste nun den klaren Schnaps besorgen. Bei meist eisiger Kälte wurde auf den ersten Abschnitt des Schlachtens ein Prost angesetzt: „ Ist das Schweinchen hakenrein, muss erst mal getrunken sein“. Nun wurde das Schwein erneut abgewaschen und –gespült. Jetzt begann der Metzger, das Schwein auszunehmen. Zuerst wurden die Gedärme herausgenommen und in das „Becken“ gelegt , Lunge und Leber wurden an die Leiter gehängt. Jetzt kam das Hackebeil zum Einsatz, das Rückrat wurde gespalten. Das Schwein war in zwei Hälften geteilt. Während der Metzger die Därmen säuberte, wurde auf den Fleischbeschauer gewartet. Der prüfte die inneren Organe auf sichtbare Krankheiten. Mit einem Mikroskop untersuchte er das Fleisch auf Trichinen. War alles in Ordnung, wurde das Schwein abgestempelt und somit freigegeben.
7. Weiterverarbeitung in der Waschküche In der Regel wurden die Schweinehälften auf der Schulter in die Waschküche transportiert. Noch weiter Früher ging es auch in die normale Küche. Die Hälften wurden nun zerlegt. Je nach geplanten Endprodukten (mehr Fleisch oder mehr Wurst) wurde das Fleisch aufgeteilt. In der Regel wurde an zwei Tagen geschlachtet. In diesem Fall war für den ersten Tag Schluss.
8. Der zweite Tag – der Wursttag Das Fleisch wurde nun zur Wurstverarbeitung zerschnitten und gewürzt. Dabei verließ sich der Metzger oft auf seine Geschmackserfahrung. Es wurde aber auch nach Gewicht gewürzt. Als Gewürze wurden u.a. verwendet: Kochsalz, Pfeffer (weiß), Nelkenpfeffer, Muskatnuss, Knoblauch (mit etwas Schnaps gemischt), Salpeter, Zucker. Nun wurden die Stücke durch den Fleischwolf gedreht. Heraus kam „Gehacktes“. Diese Masse wurde tüchtig gemengt und nochmals abgeschmeckt. Etwas Gehacktes wurde zurückgelegt, um es gleich verzehren zu können. Mit der sogenannten Füllmaschine wurde das Gehacktes in die Därme eingebracht. Der Metzger benötigte hierzu einen „Binder“, der die Wurst möglichst geschickt abband. War die erste Wurst fertig, musste auf das gute Gelingen der Wurst wieder ein Schnaps getrunken werden. Mit der „guten“ (roten oder „ahlen“) Wurst ging es nun in die Wurstekammer (nach etwa 4 Wochen wurde sie dann geräuchert und dann in der Wurstekammer aufbewahrt). Aber es wurde nicht nur „Ahle Wurscht“ hergestellt. Die Lunge, die Zunge, Fettabschnitte und so weiter waren inzwischen im „Kessel“ gekocht. Auch sie wurden in kleine Teile geschnitten und durch den „Wolf“ gedreht. Das Ergebnis war Leber- und Blutwurst, die sich durch den Zusatz des aufgefangenen Blutes unterschied. Meistens wurden auch noch Möhren- und Schwartenwurst gemacht.
9. Was noch gemacht wurde Die Schweinefüße wurden akkurat gesäubert, gesalzen und schließlich z.B. in einer Erbsensuppe gekocht. Dies wurde aber später i.d.R. nicht mehr gemacht, ebenso wenig wie die Verwendung von Schweineohren. Die Schmalzhäute wurden abgezogen, gebreitet, geschnitten und von den Frauen genäht. Mit diesen Schmalzhäuten wurden Spezialwürste (rote Wurst) hergestellt. Oft wurde eine von diesen Würsten als „Taufwurst“ zurückgelegt. In die Schweinsblase kam Leber- oder Blutwurst. Der Magen wurde teilweise gefüllt oder auch zur Wurstverarbeitung genutzt. Die Knochen wurden zersägt, teilweise eingekocht oder eingefroren. Hieraus entstanden Sulberknochen, Rippchen usw. Bereits beim Zerlegen wurden ein oder zwei Schinken vom Hinterteil abgeschnitten. Diese wurden in eine Lage gelegt und nach ca. 4 Wochen getrocknet und geräuchert. Das beste Fleisch vom Kopf wurde aus dem Kessel –nachdem des gekocht war – herausgenommen und als sogenanntes „Quellfleisch“ beim Schlachten verzehrt.
Am Ende wurde noch gemeinsam gegessen und der ein oder andere Schnaps getrunken, denn schließlich handelte es sich um sehr fettreiche Nahrung.
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Hausschlachter Fritz Ritter mit seinen Söhnen Bernd und Lothar Anfang der 70er: Das Gehaktes für die Ahle Wurscht wird abgeschmeckt!
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Hausschlachtung im Winter 1940/41. Hausmetzger Johann Jost Ritter bei Familie Heinrich Bitter.
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Hausschlachtung Ende 20er oder 30er Jahre, Hof Döring. Hausmetzger Johann Jost Ritter und Knecht Hof Döring?
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In en 50er Jahren führte Fritz Ritter (später Hausschlachter) in der Wolfhager Straße eine Metzgerei - das Geschäft hielt aber nur wenige Jahre, Hauschlachtung gab es noch in fast jedem Haushalt (Foto: Fritz Ritter in seinem englischen Viehtransporter)! Heute ist die Fleischerei Döring in Altenstädt etabliert.
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Auch ein bekannter Hausschlachter in Altenstädt: “Schorsche” Gabriel - hier bei Riedemans.
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Hintergrund: Einmalige Wurstspezialitäten aus der HNA v. 4.12.2004
Alte, Ahle oder Rote Wurst beziehungsweise Worscht oder einfach Stracke - die nordhessische Spezialität hat viele Namen. Die Herstellungsweise ist jedoch einmlaig - anderswo in Deutschland wird sie oft unter gleichen Namen verkauft, ist aber industriell produziert und kommt einer Salami gleich. Grobes Gehacktes vom Schwein, Gewürze wie Salz, Pfeffer, Knoblauch, Muskat, Senfkörner und ein Schuss Cognac, Rum oder klarer Schnaps sowie Zucker bestimmen die Geschmacksrichtung. der Wurst ebenso, wie die anschließende Reifung und das Räuchern. Salz entzieht der Wurst während der Reifephase die Feuchtigkeit. Sie verliert dabei bis zur Hälfte ihres Gewichtes und gewinnt an Haltbarkeit. Zum Aufbewahren der Wurst ist eine luftige Speisekammer ideal. Ihr bestes Aroma entfaltet sie bei Temperaturen von 15 bis 20 Grad, bei Kühlschrankkälte schläft auch der Geschmack.
Weitere Erläuterungen aus dem Text (erklärt von Rudolf Ernst aus Niederelsungen): - Das Verhältnis Fleischund Fett muss etwa 2/3 zu 1/3 sein. - Möglichst in Naturdarm - Nach drei Tagen erfolgt das Räuchern - Reifezeit mindestens 2 Monate
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Hausschlachter Ewald Risseler bei der Arbeit!
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Das Schwein wird aus dem Stall geholt: Aufnahme aus der Gegend von Ludwigsburg
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Hintergrund: Über die Geschichte der “Ahlen Worscht” in unserer Region Quelle: siehe unten
Obwohl nur dünn besiedelt, reichte der Ertrag des Bodens im niederhessischen Bergland kaum aus, um alle zu ernähren. Ein großer und traditionsreicher Bauernstand konnte sich nie etablieren. In den Dörfern lebten zumeist Arbeiterbauern. Man hatte sein Äckerlein Land, etwas. Vieh. Zumindest fütterte man ein oder zwei Schweine. Zusätzlich mußte, meist außerhalb des Dorfes, nach Arbeit gesucht werden, etwa bei der Bahn, in Steinbrüchen, oder, falls noch erreichbar, in der wachsenden Industrie Kassels. Viele, manchmal ganze "Dorfmannschaften" zogen im 19. Jahrhundert als Wanderarbeiter in die Ziegeleien Westfalens oder in die Zuckerfabriken im Raum Magdeburg. Erst im Spätherbst - die Frauen führten derweil den kleinen Hof - kehrte man zurück ins heimische Dorf. Das Schwein war herangewachsen. Kurz nach Weihnachten, wenn es kalt war, kam dann die Zeit, der Schlachttag wurde vorbereitet. (...) Zumindest bis in die Zeit nach dem ersten Weltkrieg hatte die Ahle Wurscht für breite Teile der nordhessischen Landbevölkerung eine ausgesprochen existentielle Bedeutung Die allmähliche Einkommensverbesserung, die seit den 20er Jahren für viele Arbeiterbauern möglich wurden, verstärkten den Handel und brachten auch einen zaghaften Wandel der Ernährungsformen mit sich. Die instabile Wirtschaftslage jedoch erhielt das traditionelle Hausschlachten aber als festen Bestandteil des Jahres, denn auch wenn die Arbeit verloren ging und das Geld nichts mehr wert sein sollte, so wirkte doch die wohlgefüllte Wurstekammer beruhigend.(...) Noch in den 30er Jahren wurde die Ahle Wurscht selbst in notariellen Regelungen als Tauschwert eingesetzt. So sieht zum Beispiel an Vertrag zur Gewährung eines Altenteils aus dem Jahre 1933 vor, daß neben dem Wohnrecht in einer Einsitzstube u.a. dem Empfänger neben dem wöchentlichen Taschengeld von einer Reichsmark jährlich "15 Pfund Rote Wurst, Dauerware" zustehen. In den Kriegsjahren wurde das Hausschlachten durch die nationalsozialistische Verwaltung kontingentiert. Man durfte zwar schlachten, aber nur einen nach der Größe der Familie bemessenen Anteil des Fleisches behalten. Schlachtete zum Beispiel ein fünfköpfige Familie ein Schwein, musste sie die Hälfte ihrer Wurst an die Kriegsverwaltung abgeben. Auf den Dörfern wurde in dieser Zeit oft heimlich geschlachtet. Mit Tricks und Finten umgingen selbst treue Endsieganhänger diese Regelung. (...) Die Ahle Wurscht ist, genaugenommen, eine vormoderne Konservierungsmethode. Mit der Entwicklung und Verbreitung der Gefriertechnik, die in den 50er Jahren zunächst mit den Dorfgemeinschaftshäusern und Gemeinschaftsgefrieranlagen der Genossenschaften im Dorf Einzug hielt, um sich später über die persönliche Gefriertruhe im eigenen Haushalt zu individualisieren, war die traditionelle Konservierungsform des Verwurstens eigentlich nicht mehr zwingend nötig. Zudem stiegen die Einkommen infolge der zunehmenden Industrialisierung des ländlichen Raumes erheblich. Der enge Gürtel zwischen Subsistenzlandwirtschaft und Existenzsicherung lockerte sich und wurde durch den Bauch des Wirtschaftswunders verdrängt. Doch Traditionen, zumal, wenn sie mit Genuß verbunden, sind beharrlich. Um s kurz zu sagn: Die Not ging, die Wurst blieb. Auch in den 60er Jahren fielen die Hausschlachtquoten nicht zurück. Es wurde nun aber weniger verwurstet, sondern auch viele eingefroren. Mancher Haushalt mit Gefrierfach oder eigener -truhe, entzog der Wurst damit auf Kosten ihrer Qualität manch leckeres Schweinestück, um es später in die Pfanne zu werfen. Erst in den 70er Jahren geht das Hausschlachten und damit die Herstellung von Ahler Wurscht immer mehr zurück. (...) 1955 wurden in den nordhessischen Landkreisen noch durchschnittlich 253 Tiere pro 1000 Einwohner geschlachtet (97 % davon Schweine). In den südhessischen Landkreisen, und dies macht deutlich, dass Hausschlachten eine nordhessische Angelegenheit ist, lag die Quote im gleichen Jahr bei 125. Auch 1968 ist die Hausschlachterquote in Nordhessen mit 249 noch unverändert hoch, 1980 ist sie auf 179 gefallen. 1987 kommen auf 1000 nordhessische Landkreisbewohner nur noch 141 hausgeschlachtete Tiere. Die Gründe für den Rückgang sind vielschichtig. Zum einen waren es wohl auch die seit Ende der 60er Jahre verstärkt angewendeten veterinärmedizinischen Hygienevorschriften, aber nicht nur. Als viel bedeutender für das Sinken der Hausschlachtquoten muß der Strukturwandel im ländlichen Raum selbst eingeschätzt werden. Das Hausschlachten, die Ahle Wurscht, sind Segmente einer Kultur, der sie einst zum Überleben halfen. Die moderne Industriegesellschaft schränkte diese Subsistenzräume ein und machte sie zunehmend überflüssig." [Quelle: Thomas Fuchs: In der allergrößten Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot. "Ahle Worscht" - kulturhistorische und kulinarische Betrachtung einer nordhessischen Spezialität, in: Arbeitsergebnisse, Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Ländliche Entwicklung am Fachbereich Stadt- und Landschaftsplanung der Gesamthochschule Kassel, Nr. 16, Oktober 1991, Kassel, 5-13.]
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“Ahle Worscht”- das nordhessische Markenzeichen. Deshalb hat die Qualitätsgemeinschaft nordhessischer Lebensmittel” die Begriffe/Marken “Ahle Worscht”, “Stracke”, “Dürre Runde” und “Feldkieker” beim Patent- und Markenamt in München angemeldet (2005). Foto: stellvertr. Landesinnungsmeister des Fleischerverbandes Hessen, Rudi Döring, mit den nordhessischen Landräten, dem Regierungspräsidenten und weiteren Fleischermeistern im Nov. 2005 |
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