Die dunkle Zeit auch in Altenstädt
siehe auch - Die Nachkriegszeit - Arbeiter-Turn-und Sportvereine
Über diese Zeit wird nicht gerne geredet und viele Unterlagen und Dokumente sind verschollen. Deshalb ist es um so schöner, dass Rüdiger Löber - fleissiger Altenstaedt.de Leser und Schreiber von Beiträgen - auch zu diesem Thema Beiträge geschickt hat (Mai + Dezember 2011). Ich hoffe, wir können diese Seite noch erweitern, wer Beiträge oder Fotos hat, bitte melden.
Rüdiger Löber, Mai 2011: “Ein paar kleine Begebenheiten aus diesen dunklen Jahren; erzählt von unserem Vater und einigen alten Altenstädtern: Auf der Höhe gab es jährlich zum Sommeranfang eine von der Ortsgruppe organisierte Sonnenwendfeier. Unser Vater hielt nichts davon, konnte es aber nicht lassen, hinzugehen, um sich die Show anzusehen. Es wurden die strammen Lieder gesungen; er stand etwas abseits und rauchte Zigarre. Da kam ein Parteimitglied und schrie: "Du Gewitterbiest, meinst wull nidd midde ze sängen bruchen!" und schlug ihn nieder. Das sah Vater dann auch als Grund dafür an, daß er sogleich zu Kriegsbeginn eingezogen wurde, obgleich er wegen der Landwirtschaft zurückgestellt hätte werden können. Währen der Kriegszeit gab es Altenstädter (z.B. Engelbrechts, zur Pforte), die heimlich den englischen Radiosender BBC hörten, was streng verboten war. Ortsguppenleiter Eysel schlich abends um die Häuser, um diese Wehrkraftzersetzer aufzuspüren. Als die Amis dann 1945 einmarschierten, versteckte sich Eysel im Hattenhäuser Wald. Befreundete brachten ihm das Essen dahin. Wir hatten auf dem Hof während des Krieges einen polnischen Zwangsarbeiter. Er wurde gut behandelt. In den 60er und 70er Jahren kam er uns oft besuchen und verdiente sich etwas Geld mit Malerarbeiten. Als die Amis einmarschierten, musste unsere Tante das Haus räumen und eine Zeit im sehr geräumigen Hühnerstall verbringen. Später wurde das Haus mit Ausgebombten und Flüchlingen belegt. Zum Kriegsende gab es einen Tieffliegerangriff auf die Kleinbahn. Es durfte daher nicht in Altenstädt gehalten werden, sondern der Zug fuhr durch bis Naumburg, sodaß die Altenstädter von dort nach Hause laufen mußten. Das Kleinbahnfahren war im Krieg sehr strapaziös. Wegen Mangel an Waggons, waren diese so sehr mit Stehenden überladen, dass die Federung gänzlich komprimiert war, und jeder Schienenstoß ein Scheppern auslöste. Auch für Altenstädt galt nachts die Fensterverdunkelungspflicht.”
Rüdiger Löber, Dezember 2011: Ein großes Kapitel der Nachkriegszeit war die,wie auch immer geartete, Bewältigung des Geschehenen. Da das alles natürlich persönlich sehr eingreifend war, ist es verständlich ,dass darüber nur ungern jemand etwas veröffentlicht. Ein Vergeben und damit auch ein Vergessen der Verfeindungen in der NS-Zeit gab es zum Teil und damit auch die Möglichkeit eines menschlichen Neuanfangs. Aber es gab auch Rachehandlungen: z.B. wurde ein Altenstädter aus Rache schwer zusammengeschlagen und fristete später ein elendes Dasein. Positiv erlebten wir als Kinder den Parteigenossen, der bei der Sonnenwendfeier auf der Höhe unseren Vater zusammengeschlagen hatte. Als unser Mähwerk am Schlepper in der “Blätterwiese” einmal kaputtging, half er uns so lange, bis es endlich wieder funktionierte und kommentierte dann: “Jetzt giwwet dr Hund sinne Melch”. Auch Ex-Bürgermeister August Schlutz erlebten wir als Kinder als allzeit freundlichen und interessierten Opa.!”
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