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Manöver und Kindsein 1885

„Andere Kinderfreuden und Spiele“
aus den Aufzeichnungen des Lehrers August Henkelmann, wie er seine Jugend und ein stattgefundenes Manöver im Jahr 1885 in der Altenstädter Umgebung erlebte.
(Geschichtsverein Naumburg – Mitteilungen Dezember 1989)


Bis zu meinem neunten Lebensjahr durfte ich noch meinen Kinderspielen nachgehen, wenn es auch im Haus, Hof und Feld schon mancherlei Pflichten für mich gab. Ich suchte jetzt mehr die Gesellschaft der Jungen und Wagner Engelhardt hatte ein ganzes Rudel davon. Henner war zwei Jahre älter als ich. Er hatte breite Schultern und ein breites Gesicht. Stark war er wie ein Bär, aber in der Schule kein sonderliches Licht. Seine führende Stellung wurde ohne weiteres anerkannt. So behauptete er, Herr zu sein über die langen Rasenstreifen am Lingeweg und wir hätten ihm Stücke abzupachten, wenn wir sie nutzen wollten. Auch ich hatte ein Stück an der Hecke entlang gepachtet, und das war nun meine Wiese, für die ich Pachtzins in Form von Knöpfen entrichten musste.
Dass wir damals auch Soldaten spielten, war eine Selbstverständlichkeit, besonders auch durch das große Manöver, das 1885 in unserer Feldmark abgehalten wurde. Engelhard Schorsche musste die nötigen Säbel herstellen, wozu er sich nach langem Bitten herabließ. Das größte Schnupftuch wurde als Fahne an eine Haselgerte gebunden. An einem Sonntag wurden zwei feindliche Heere gebildet. Mein Bruder Reinhard führte das eine und Schorsche das andere. Ich gehörte zu Schorsches Armee. Es waren sechs Mann. Reinhard hatte ebenso viele. Auf Umwegen wollten wir im Grasweg zusammentreffen. Noch sahen wir nichts vom Feinde, als plötzlich Reinhard mit einer riesigen Übermacht gegen den Grasweg vorrückte. Es hatte auf Gartenbachs Hof eine Rotte Jungen spielen hören und diese als Hilfstruppe angeworben. Wir erlitten eine schmähliche Niederlage, doch erschien uns die Sache als völkerrechtswidrig.
Beim großen Herbstmanöver bezog eine Waffengattung nach der anderen in unserem Dorf Quartier. Welch herrlicher Anblick bot sich immer wieder unseren staunenden Augen. Damals waren es noch die bunten Uniformen und die blitzenden Helme. Ein Unteroffizier mit Namen Blumentritt wurde bei uns einquartiert. Seinen Namen habe ich bis heute nicht vergessen. Wir sahen Infanterie, Artillerie, Dragoner und Husaren beim Gewehrreinigen, beim Mäntelklopfen, beim Appell und beim Ein- und Ausrücken. Wir kannten den Herrn Hauptmann und seine schlanken jungen Offiziere. Überhaupt alle Dienstgrade. An jedem Manövertag kam die Naumburger Einquartierung mit klingendem Spiel durch unser Dorf. Ehrfürchtig betrachteten wir den Hauptmann hoch zu Ross mit dem breiten Ordensband auf der Brust, das er in den Kriegsjahren 186 und 1866 und im Siebziger Krieg erworben hatte. Wir wurden zu Militärsachverständigen.
Um zehn Uhr abends wurde Zapfenstreich geblasen. Mein Bruder übersetzte die Töne in Worte:
Ein jeder geht in sein Quartier und macht mir keinen Spektakel mehr, der Hauptmann hat’s gesagt.
Als das Manöver auf seinem Höhepunkt war, kamen alle Schulen der umliegenden Dörfer, um das Kriegsschauspiel zu bewundern. Aufgefahrene Batterien donnerten mit ihren Kanonen, Reitertrupps sprengten durch die Felder, in der Ferne schimmerten die Helme der feindlichen Infanterie, Musketiere gingen in Deckung, Feldgendarmen sausten durchs Gelände, um die Zuschauer in respektvollem Abstand zu halten, und unsere Jungenaugen konnten sich nicht satt sehen an diesem Schauspiel. Welcher Wirbel in der sonst so ruhigen Landschaft:
„Kein Klang der aufgeregten Zeit drang noch in diese Einsamkeit“
Jetzt aber:
„Hat sich erhoben der Schild- und Schwerteschall und Kampfgeschrei und Toben und dumpfer Widerhall“

Quelle: Mitteilungen 89 Geschichtsverein Naumburg

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