Altenstädt, die Klöster und der Adel
von Georg Feige Das spätmittelalterliche Zeitalter ist von dem Bestreben des Erzbistums Mainz gekennzeichnet - über die geistliche Macht hinaus - der hessischen Landgrafschaft eine eigenes weltliches Territorium entgegenzusetzen. Die auf dieses Fernziel angelegte Politik musste bestrebt sein, weltliche Machtpositionen zu gewinnen, Grafen und andere Herren auf ihre Seite zu ziehen und Land um Land zu mehren. Diese Territorialstrategie bediente sich auch einer übergroßen Zahl von Klöstern, die z.T. mehr weltliche Aufgaben hatten, als ausschließlich geistlichen Zielsetzungen zu entsprechen. Sehr bald gehörte es zur Standessitte des Adels, “sein” Kloster zu stärken und zu Ansehen zu bringen, ihm mehr oder weniger große Güter zu schenken. Auch um des Himmels und des Seelenfriedens willen haben unzählige Gläubige den Klöstern Schenkungen gemacht und Opfer bis zur Verarmung gebracht. Es lässt sich nachweisen, dass dynastische Geschlechter an den von ihnen mitbegründeten Klöstern zugrunde gegangen sind. Was die einen verloren, bereicherte die anderen. Aus einer Vielzahl verstreuter Besitzungen und Rechte sind so größere und kleinere Territorien zusammengewachsen. Auch das Amt Naumburg des Erzbischofs von Mainz. Es muss zu denken geben, dass an allen unser Dorf betreffenden Urkunden - von der ersten bis zur Reformation - ausschließlich Klöster beteiligt sind und sich diese Zeugnisse nur auf sie beziehen. Andererseits müssen wir den hier teilhabenden sechs Klöstern es hoch anrechnen, dass uns ohne sie ihre Niederschriften nicht erhalten geblieben wären. Unser Dorf war anscheinend zu keiner Zeit ein vom Adel allein abhängiger Ort, wohl auch nicht zur Zeit des Gaugrafen Werner und früher. Nach Gründung der vielen jüngeren Klöster zu Beginn und im Laufe des 12. Jahrhunderts verschiebt sich der Landbesitz und der Güter stark zu deren Gunsten. Die Grafen und die kleineren Herren vom Adel treten nur noch wenig in Erscheinung. Auch anhand der glücklicherweise bewahrten Urkunden können wir nur in wenigen Fällen feststellen, wer die Lieferanten der Klöster waren. Die Zahl der weltlichen und geistlichen Grundherren in Altenstädt war stets wechselnd groß. Darum konnte sich auch keine Herrschaft größeren Ausmaßes durchsetzen. Ob viele oder wenige Adelsfamilien oder Klöster - sie hielten den Altenstädter Raum über Jahrhunderte hinweg in peinlicher und unbeliebter Abhängigkeit. Ob das Wort “unter dem Krummstab lässt es sich gut leben” hier immer Geltung hatte, darf gewiss bezweifelt werden. Begriffe, wie Leibeigenschaft, Hörigkeit und Unfreiheit, die den Klöstern ebenso erwünscht waren, wie Grund und Boden, sind nicht die geeignete Definition für Mitmenschlichkeit. Allerdings war die Handhabung des Zwanges und der Gebundenheit sehr dehnbar und recht unterschiedlich, so dass man die knechtische Härte in ihrer Anwendung nicht verallgemeinern kann. Die fortwährende Erwerbung und Einverleibung von Besitz hatte andererseits für die Abhängigen etwas außerordentlich Gutes. Der Zeitpunkt kam, an dem die Klöster ihren weitverstreuten Besitz nicht mehr selbst bewirtschaften konnten. Sie mussten ihren unfreiwilligen Untertanen mit der Bewirtschaftung ihrer Güter verantwortlich betrauen und beauftragen und damit nach und nach und Schritt für Schritt aus Leibeigenschaft und Hörigkeit entlassen. Daraus ist das Leihe- und Lehnwesen entstanden, das nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte mit sich brachte. Eine wirtschaftlich neue Zeit brach an, die letztlich zur gänzlichen Befreiung von Abhängigkeit und zu Eigentum führte. Den urkundlich belegten ältesten und später sicherlich auch größten Besitz hatte in Altenstädt das im Jahre 1196 gegründete Augustinerinnen-Kloster Bericht (es versank mit dem Ort 1912 beim Bau der Talsperre im Edersee). Schon im Jahre 1206 werden ihm (mehrere!) Frauenkloster, das nichts anderes als eine Einrichtung zur standesgemäßen Unterbringung und lebenslanger Versorgung unverheirateter Töchter des Adels war. Mit ihrer Aufnahme ins Kloster waren meist Schenkungen, eine Mitgift oder Abfindungen verbunden. Wir schließen darum nicht aus, dass das Kloster Berich zu den Gütern in Altenstädt aus dem ortsansässigen Adelskreis - oder der hier Besitz hatte - gekommen war. Auch die beiden anderen waldeckischen Klöster, die in Altenstädt grundherrliche Rechte besaßen, waren Frauenklöster: das Zisterzinserkloster Netze und das Benediktinerkloster Werbe. Jedes der drei waldeckischen Frauenklöster gehörte einer anderen Ordensrichtung an. Auch das Stift St. Peter in Fritzlar macht schon sehr früh - um 1209 - Rechte in Altenstädt geltend. Ihm folgen sehr bald die Klöster Breitenau und Hasungen. Es handelt sich bei den dem Kloster Breitenau übereigneten Gütern wahrscheinlich um die Mitgift oder das Eigentum seiner (Graf Bertold von Felsberg) Frau Bertha (geh. vor 1248) v. Naumburg (siehe 1253 Chronik). Sie war die Tochter des Grafen Widekind von Naumburg und seiner Frau Osana. Ihr Bruder war Graf Widekind von Naumburg, Domherr in Halberstadt, der die Naumburg, die Weidelsburg und das Amt Naumburg an den Erzbischof von Mainz 1265 verkaufte und damit den Grundstein für dessen Territorium im Elbetal legte. Graf Bertold von Felsberg schenkte dem Kloster Breitenau 1253 noch weiter Güter. Ob auch diese in Altenstädt und Gershausen gelegen haben, war bei dem Mangel an Urkunden nicht zu ergründen. Graf Bertold starb nach dem Traditionsverzeichnis des beschenkten Klosters auf den Heiligenberg bei Gensungen. Anscheinend hatte er engere Beziehungen zu Mainz. Aus seiner Ehe mit Betha von Naumburg gingen drei Söhne hervor: Wilhelm, Widukind und Bertold, “an die wohl der übrige Nachlaß des Naumburgischen Hauses gekommen mag sein”. Bertha heiratete in zweiter Ehe den Ritter Giso Edlen von Ziegenberg. Als sie auf Rat ihres Gatten und mit Zustimmung ihrer Söhne Widekind und Bertold (war Wilhelm früh verstorben?) ihren Leibeigenen Herewich von/aus Möllrich dem Deutschen Haus zu Marburg verkaufte (!), nennt sie sich - obwohl ihr zweiter Ehemann noch lebt und gegenwärtig war - “Domia Bertha de Novo Castro”, also Bertha von Naumburg. Der Sohn Bertold, der doch eigentlich Graf von Felsberg gewesen sein müsste, wurde Bürger in Wolfhagen, wo er 1294 genannt wird. (siehe Chronik 1261-1434) Die Entwicklung war schon weit gediehen, dass die Klöster genötigt waren, die allzuvielen Güter an diejenigen zurückzuverleihen, die sie ihr übereignet hatten oder sie für gute Dienste zweitweise zur Verfügung zu stellen. Das Kloster Hasungen hat zahlreiche Güter in Erbleihe vergeben oder gar verkauft. Die meisten erhielten die Einwohner von Balhorn. Es ist fraglich, ob das Stiftsgut dem klösterlichen Hofgut gleichzusetzen war. Letztere hatten für die unmittelbaren Bedürfnisse des Klosters zu sorgen. Ihr Haushalt verlangte doch vielen Dinge, die nur die eigene Wirtschaft liefern konnte. Das Klostergut musste auch in die Bresche springen, wenn die Abgaben und Gefälle von anderer Seite nicht rechtzeitig eingingen. (siehe Chronik 1435-1553) Mit der Säkularisierung, d.h. der Verweltlichung des kirchlichen bzw. des klösterlichen Besitzes durch die Reformation haben sich naturgemäß keine Klosterurkunden mehr ergeben. Nach der wechselnden Verpfändung des mainzischen Amtes Naumburg war die Pfandschaft 1544 in den Besitz der Waldecker Grafen übergegangen. Das Pfand oder Teile von ihm konnten natürlich nicht vom Pfandinhaber veräußert werden. Es musste dem Pfandgeber voll und ganz erhalten werden, doch konnte der Pfandleiher oder Gläubiger über die an den Eigentümer eigentlich zu zahlenden Abgaben, Gefälle oder Leistungen zu seinen Gunsten verfügen als Ersatz für die Zinsen, die der Schuldner für das ihm zur Verfügung gestellte Kapital hätte zahlen müssen. Darum die zahlreichen waldecker Urkunden. (siehe Chronik 1544-1582) Das im Mittelalter geltende (katholische) kanonische Recht verbot das Schuldenmachen. Wenn man dennoch Geld aufnehmen, leihen wollte oder musste, so umging man den “Sündenfall” den Verkauf von Leistungen Dritter, die der Geldleiher von diesen zu erwarten hatte (Einkünfte jeder Art: Zinsen, Renten, Lehngelder, Abgaben, Zehnten usw.). Wenn z.B. der Graf von Waldeck dem Johann Goddeling 25 Gulden für 500 Taler wiederverkäuflich verkaufte, so bedeutete das nichts anderes, als dass dieser Goddeling dem Grafen 500 Taler lieh und dieser sich verpflichtete, dafür 25 Gulden Zinsen zu zahlen.
Besitzungen der Grafen, des Adels und der Klöster in Altenstädt um 831 bis zum Ende der Waldeckischen Pfandschaft 1588: - von Helfenberg - von der Malsburg - von Felsberg - von Gudensberg - von Hunde - von Naumburg - von Hertingshausen - von Dalwigk - von Battenberg - von Waldeck - Kassel Klöster: - Hasungen - Breitenau - Fulda - Fritzlar - Mainz - Netze - Berich - Werbe - Prüm
Quelle: 1150 Jahre Alahstat - Aldenstede - Altenstädt 831-1981 von Georg Feige (1981)
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